Wirgefühl in der Kunst
Essay von Roland Schappert
Die Frage nach einem Wirgefühl in der Kunst soll keinesfalls einen weiteren Streit oder Kampf zwischen Minderheiten und vermeintlichen Mehrheiten anheizen. Eigentlich sollte man von Wirgefühlen immer im Plural sprechen, wenn es um mehr als ein Individuum geht, Kommunikation entsteht und ein Austausch sowie bestenfalls Ausgleich erfahrbar wird.
Um falschen Erwartungen gegenüber diesem Essay vorzubeugen: Es kann hier nicht um die ebenfalls relevante Frage gehen, warum und weshalb tatsächlich ein WIR mehr zählen oder wert sein sollte als die oder der einzelne. Und so wäre es auch nur billig zu behaupten, die Sozialen Medien hätten der Allgemeinheit vor Augen geführt, dass die Anzahl von Likes und Followern zunehmenden Einfluss auf die Entwicklung der Künste hat und maßgeblich die Ausrichtung der Arbeit in Galerien, Kunstvereinen, Museen und Biennalen verändert. Es soll hier auch nicht um Wirgefühle gehen, die sich vordergründig auf Fame, Ruhm oder Beeindruckungsmechanismen beziehen, sondern um die generelle Frage, womit und nach welchem Muster wir uns als Gesellschaft bzw. in unseren Teilsegmenten und einzelnen Gemeinschaften identifizieren und verbinden. Es geht im Folgenden damit eher um Strukturen sowie Konstellationen und Widersprüche und weniger um die möglicherweise extrem pluralistischen einzelnen Identifikationsangebote sowie Kunstformen. Kein einziges Wirgefühl ersetzt ein individualistisches Bedürfnis. Wäre es nicht eher so, dass Wirgefühle persönliche Ansichten bestätigen sollen und zu weitergehender Identifikation verhelfen?
In den Sozialen Medien und in der gegenwärtigen Kommunikation über zeitgenössische Kunst geht es oftmals um das Kriterium der „Reichweite“ einer Aktion, Äußerung oder künstlerischen Intervention, die sich vor allem aus…