Michel Hübl
Wir stehen nicht mehr hinter der Mauer und haben einiges zu bieten
INTERVIEW MIT ARNO RINK, REKTOR DER HOCHSCHULE FÜR GRAFIK UND BUCHKUNST LEIPZIG AM 28. APRIL 1990 IM KUNSTVEREIN HANNOVER
M.H.: In Lothar Langs Geschichtsüberblick über die “Malerei und Graphik in der DDR” ist von einem Disput die Rede zwischen einer dritten Generation der “Leipziger Schule” – zu der Lang auch Sie zählt – und den Künstlern, die Mitte der 20er und in den 30er Jahren geboren wurden. Was hat man unter diesem Disput zu verstehen?
A.R.: Ich weiß nicht, was Lang mit “dritter Generation” meint: Ich bin 1940 geboren, und eigentlich sind wir die zweite Generation. Bei diesem Disput ging es um Haltungsfragen: Heisig, bei dem ich Schüler war, und die anderen seiner Generation hatten andere Grunderfahrungen als wir; die hatten voll den Krieg miterlebt. Wir haben uns aneinander gerieben – aber die auch an uns. Das lag an der Unbefangenheit der Jugend, aber auch am Klima der Schule, das seit der Mitte der 60er Jahre sehr produktiv war und sehr offen. Da gab es keine Tabus, auch keine politischen mehr. Die Hochschule war eine Insel – bis die Insel keine Funktion mehr hatte, weil niemand mehr auf einer Insel sein wollte.
Wie war das mit der sogenannten Erbe-Rezeption, mit der die “Leipziger Schule” gerne in Verbindung gebracht wird und die ja nicht unumstritten war.
Anfangs war der Begriff “Erbe” geprägt durch eindeutige Rückgriffe auf Menzel und Kollwitz, die die großen Leitbilder waren. Dann kamen Leute wie Tübke mit seiner fast…