wir selber bauen unsre stadt
Künstlerische Positionen zur Architektur der Gegenwart
Herbert KOPP-OBERSTEBRINK und Judith Elisabeth WEISS
In ihrem Buch mit dem provokanten Titel wir selber bauen unsre stadt stellten der Soziologe Lucius Burckhardt und der Publizist Markus Kutter bereits 1953 Fragen, die deutlich machen, dass das Selber bauen einer Stadt kaum alltagstauglich ist: Warum überlässt die Gesellschaft die Stadtplanung den Liegenschaftsspekulant*innen und Beamt*innen der Bauverwaltung? Woher kommt es, dass die Stadtentwicklung so stark von verborgenen Kapitalinteressen und nicht von den Anforderungen der Bewohner*innenschaft gelenkt wird? Wie entsteht der Entwurf für die Planung einer Stadt, der Gültigkeit beanspruchen darf und nicht verworfen werden muss? Wer plant die Planung? All diesen Fragen haben die Logiken und Strukturen der Machtverteilung im Visier und sind angesichts von Wohnungsknappheit, reclaim-the-streets-Aktionen und Gentrifizierung aktueller denn je.
Als Echo auf die Gegenwart und als Seismograph der Zukünfte liegt der Kunst eine Geste der Selbstermächtigung zugrunde. Künstlerinnen und Künstler der Gegenwart bauen selber ihre Stadt – modellhaft, ausschnitthaft, projizierend und intervenierend. Ihre Werke werfen Betrachter*innen auf die eigene Lebenswelt zurück: Wie leben wir, und wie wollen wir leben? Die folgende Bildstrecke eröffnet in vier thematisch aufeinander aufbauenden Kapiteln Einsichten und Aussichten auf die äußeren und inneren Zusammenhänge von Urbanität und Architektur. Wie lassen sich Gebäude lesen und was sagen uns Fassaden? Vertraute Umgebungen sind in hohem Maße Terrains des Unbewussten, weil sich die Wahrnehmung durch blinde Flecke auszeichnet, je besser man einen Ort kennt. So registriert man etwa die Un-Orte einer Stadt häufig gar nicht, weil sie zur Gewohnheit…