„Wir müssen uns an das Wissen der Indigenen halten, um einen Ausweg aus diesem Schlamassel zu finden.“
Drei Fragen von Herbert Kopp-Oberstebrink an José Roca, den künstlerischen Leiter der 23. Biennale of Sydney (12.3.–13.6.2022)
Herbert Kopp-Oberstebrink: Der Titel der 23. Sydney-Biennale lautet Rivus. Welches Konzept verbirgt sich dahinter?
José Roca: Die Biennale befasst sich mit Flüssen und anderen Gewässern sowie den (natürlichen, sozialen und kulturellen) Ökologien, die sie erhalten. Wasser ist ein Element, auf das jeder Mensch ein Grundrecht hat. Doch es ist mehr und mehr zu einer Ware in einer globalisierten Welt geworden, die unter der fortschreitenden und rücksichtslosen Privatisierung dieses Gemeinguts leidet.
Im Laufe der Menschheitsgeschichte waren Flüsse Kommunikationswege, Lebensspender für ganze Gemeinschaften, jedoch auch natürliche Zugangswege für das ganze Unternehmen des Kolonialismus. Sie haben aber auch als Abwässerkanäle und Massengräber gedient. Sie bildeten das Sediment der Kultur. Wie der Titel bereits andeutet – rīvus ist die lateinische Wurzel für Strom, aber auch für Rivalität –, stehen Überlegungen zum Wasser und zu Konflikten im Mittelpunkt des Projekts.
Das ist aber keine „Fluss-Biennale“. Das Thema wird sich zu einem Delta von Fragen ausweiten, Fragen wie denjenigen nach den Rechten der Natur, dem Zusammenwirken zwischen den Arten, den Stimmen nicht-menschlicher Wesen, den Fragen von Nachhaltigkeit, Konsum, Verschmutzung, Wüstenbildung, biologischer Vielfalt, Aussterben sowie indigenen Weltansichten und Schöpfungsgeschichten.
Da Wasser eine heiß umkämpfte Ressource darstellt, stellt sich die Frage, ob die Ausstellung eine vornehmlich politisch-ökologische Agenda verfolgt?
Es geht bei vielen der gezeigten Projekte um Konflikte, die im Zusammenhang mit Wasser stehen: um…