Justin Hoffmann
Wim Delvoye
Galerie Tanit, München, 7.7. – 2.9.1995
Schweinereien an der Wand erwarteten in diesem Sommer den Besucher der Galerie Tanit, Schweinereien jedoch in einem materiellen Sinne: Häute von Schweinen, vom belgischen Künstler Wim Delvoye bearbeitet. Der Gedanke an die Herstellungsweise dieser für die Ausstellung zentralen Objekte macht bereits viel von ihrer Wirkung aus. Auch ohne die genaueren Umstände zu kennen, ist sie erschließbar. Die Häute von Hausschweinen dienen Delvoye als Bildgrund. Die emblematischen, farbigen Sujets, die sich darauf befinden, wurden jedoch nicht gemalt, sondern tätowiert. Sie zeigen traditionelle und keine besonders exponierten Motive, die sich im wesentlichen einer bekannten Symbolik bedienen. Sie könnten auf jeden starken Oberarm passen. Damit die Häute von einem professionellen Tätowierer überhaupt bearbeitet werden konnten, mußten sie noch frisch und warm, und die Tiere erst vor kurzem geschlachtet worden sein. Die Produktion dieser Tatoos dürfte also keine angenehme und leichte Tätigkeit gewesen sein.
Der versierte Kunstrezipient denkt bei der künstlerischen Arbeit mit toten Tieren vielleicht an Hermann Nitsch. Doch ganz im Unterschied zum Wiener Aktionisten geht es dem belgischen Künstler keineswegs um Abreaktion, Mythos und orgiastisches Theater. Seine Häute sind sauber. Kein Blutspritzer ist auf ihnen zu entdecken. Diese Arbeiten sind vielmehr im Kontext der scheinbar harmlosen Wanddekorationen von Tierfellen, z.B. von Raubkatzen, zu betrachten. Denn von exotischen Tieren ist man es mehr oder weniger gewöhnt, ihre Haut in einem bürgerlichen Wohnzimmer anzutreffen. Handelt es sich jedoch um die Haut eines gemeinen Hausschweins, überfällt dem Betrachter ein gewisser Schauder, was sicherlich auch von ihrer Haarlosigkeit, welche…