Jürgen Kisters
Wilhelm Lehmbruck / Joseph Beuys
Galerie Werner, Köln, 7.6. – 12.7.1997
Als Joseph Beuys elf Tage vor seinem Tod, im Januar 1986, mit dem Wilhelm-Lehmbruck-Preis ausgezeichnet wurde, begann er seine Dankesrede mit den Worten: “Ich möchte meinem Lehrer Wilhelm Lehmbruck danken.” Das ist insofern bemerkenswert, als daß Lehmbruck bereits zwei Jahre tot war, bevor Beuys überhaupt geboren wurde. Dieser Einfluß, auf den Beuys sich berief, ist oft konstatiert, jedoch nie eingehend dargestellt worden. Um so erfreulicher war daher ein Ausstellungsprojekt, in dem der Galerist Michael Werner die künstlerische (Wahl-)Verwandtschaft zwischen Joseph Beuys (1921-1986) und Wilhelm Lehmbruck (1881-1919) in ausgewählten Stücken vorführte. Zu sehen war eine Schau mit zeichnerischen und plastischen Stücken vom Feinsten, was Kunst zu bieten hat.
Gleich zu Beginn wurden Beuys und Lehmbruck direkt gegenübergestellt. Auf der einen Seite Radierungen von Lehmbruck (aus der Zeit zwischen 1912 und 1914): die “Sklavin” als weiblicher Akt; die “Mutter mit dem Kind”; der tote Mann (der von einer Frau umarmt wird); der “weibliche Akt mit Männerköpfen”. Auf der anderen Seite Zeichnungen von Beuys: die “Filzaktion für ein Aktrice” (von 1965) und die “Holzjungfrau” (von 1958). Im weiteren wurden beiden Künstlern eigene Räume zugeteilt, die an einigen Schnittstellen Übergänge zwischen den Kunstwerken boten. So wenn Lehmbrucks Skulptur eines kriechenden Kindes Beuys’ “Rückenstütze eines feingliedrigen Menschen aus dem 20. Jahrhundert” zur Seite stand. Oder wenn Beuys’ bronzene “Tierfrau” sich im Angesicht eines weiblichen Bronzekörpers von Lehmbruck aufhielt. Verlorenheit und Leiderfahrung sind Momente, in denen die Werke beider Künstler miteinander korrespondieren: im Gespür für die…