Wien-Zeilen: Beobachtungen von Draussen
»Wien bleibt Wien, dies ist die schlimmste aller Drohungen«
Karl Kraus
»Wien war und ist einer der Kanaldeckel Europas, vielleicht auch die Leber der deutschsprachigen Länder. Aber es wird in diesen Jahren vieles anders, unbegreiflich anders«
Arnulf Rainer
Der »neue Wiener Frühling«, den sie diagnostizieren, ist sicher weder frei von Nostalgie oder Kommerz, und dennoch eine Chance für die Kunst.
Dieser Frühling folgt dem Steirischen Herbst, also den Jahreszeiten der Provinz, und dennoch lebt in ihm etwas vom Geist des Ver Sacrum und der Secession von einst.
Wann seither war Wien lebendiger als heute?
Wieland Schmied
Was sich kritisiert, nimmt sich ernst
Schon vor bald zehn Jahren schrieb mir mal der in Wien lebende italienische Geigenbauer B. S., daß ihm hier nichts so sehr auffalle »als die selbstherrliche Geschwätzigkeit der Künstler und deren elender Legitimationskrampf«. Letzteres verstand ich damals kaum; doch heute, da weltweit das Bedürfnis nach Legitimation der Kunst insbesondere im historisierenden Gestus der Malerei, der immer auch ein illustrativer Gestus ist, sich anzeigt (und darin liegt auch das an sich absurde Bemühen um vorgeholte Historizität, d. h. Kunst wird zu ihrem eigenen Historiografen), da erscheint mir Wien nun doch als Hochburg dieser Legitimationsfreude – die hier jedoch zu einem geradezu manierierten Legitimationszwang pervertiert; um so mehr, als die Wiener sich nicht nur legitimieren zu müssen meinen, sondern mit ihrer bedeutenden Kulturtradition auch wirklich alles Zeugs dazu haben, sich legitimieren zu können. Man beruft sich also auf das Fin de siècle, auf den Jugendstil, auf Wittgenstein natürlich, immer…