WIEN – DISKURS-CITY?
“DIE ÜBERZEUGUNG, DASS KUNST ETWAS GEMEINSCHAFTLICH PRODUZIERTES, EIN ARBEITSTEILIGES PRODUKT IST, WIRD DERZEIT MASSIV DIFFAMIERT”
KATHRIN LUZ IM GESPRÄCH MIT LIOBA REDDEKER, BASIS WIEN, ÜBER DEN STATUS DER KUNSTSTADT WIEN UND DIE SITUATION DES KUNSTARCHIVS BASIS WIEN
Kathrin Luz: Spekulationen darüber, warum eine Stadt einen besonders kreativen Humus haben und ihre Szene so besonders nah am Puls der Zeit sein soll, gibt es wohl so lange, wie es den Small Talk in diesen Szenen gibt. Versuchen wir es fundierter zu ergründen. Bei Ihnen bzw. bei basis wien strömen unterschiedlichste Informationen zusammen. Als ausgewiesene Kennerin der Wiener Szene frage ich Sie: Was macht Wien “so different, so appealing”? Was passiert hier zur Zeit in Sachen Kunst, dass es offenbar so sehr nach außen abstrahlt? Oder anders herum gefragt: Ist es Konsequenz oder nur ein Zufall, dass der nächste Documenta-Leiter, Roger M. Buergel, aus Wien kommt?
Lioba Reddeker: Ob es ein Zufall oder konsequente Entwicklung ist, dass der nächste Documenta-Leiter aus Wien kommt (der ein deutscher Wahlwiener ist!), lässt sich schwer sagen, sofern man nicht die anderen Kandidaten oder die Beweggründe des Kasseler Gremiums genau kennt. Ich denke jedoch, dass es bezeichnend ist, und zwar für den Zustand einer Gleichzeitigkeit von Produzenten- und Diskursfokussierung, wie es sie in der Wiener Kunstszene gibt. Für die rückblickende Frage, woher diese Betonung von Theorie und Diskurs kommen mag, würde ich zwei Hauptgründe ins Feld führen: Einerseits ist seit der Nachkriegszeit in Österreich das Feld des bürgerlichen Einsatzes, mit einem lebendigen Markt für aktuelle bildende Kunst,…