CHRISTINE UND IRENE HOCHENBÜCHLER:
Wenn sich Ethik und Ästhetik treffen
EIN GESPRÄCH VON MARIUS BABIAS
Der Österreichische Pavillon der Biennale Venedig 1999 stand unter Peter Weibels Motto “Offene Handlungsfelder”. Unter den Künstler/innen kam es zu großen Spannungen, als Christine und Irene Hohenbüchler zusammen mit der Künstlergruppe “WochenKlausur” vorschlugen, ein gemeinsames Kinderdorf-Projekt zu erarbeiten. Eine Zusammenarbeit kam nicht zustande, stattdessen realisierten die Hohenbüchlers den Prototypen eines “Mutter-Kind(er)hauses”. Dieses in der Öffentlichkeit umstrittene Projekt – berührt es doch grundsätzliche Fragen nach dem Verhältnis von Kunst und Politik – ist eine konsequente Fortführung früherer Kooperationen mit Behinderten oder Gefängnisinsassen, allerdings diesmal ohne direkte Beteiligung der adressierten Gruppe, nämlich der Kosovo-Flüchtlinge.
Zwei Holzpavillons, darin Bilder von Strafgefangenen: Mit diesem Beitrag für “Sonsbeek ’93” wurden Christine und Irene Hohenbüchler international bekannt. Das Zwillingspaar hatte drei Monate lang im “Kreativitätszentrum” des Gefängnisses von Arnheim die Inhaftierten zum Bildermalen animiert. Gruppenarbeit mit gesellschaftlichen Randgruppen ist das Markenzeichen von Christine und Irene Hohenbüchler. Das erste Projekt realisierten sie 1989 mit der “Lebenshilfe” in Lienz, Osttirol. Die Ergebnisse aus wochenlanger Gruppenarbeit werden in Museen und Galerien unter der Bezeichnung “Multiple Autorenschaft” präsentiert, die Verkäufe geteilt. Um allerdings einer Festschreibung als Therapeutinnen oder Sozialarbeiterinnen zu entgehen, weichen die Hohenbüchlers, die im Ausland wesentlich höhere Akzeptanz genießen als in Österreich, aber immer wieder in individuelle Arbeiten aus. Zuletzt realisierten sie das vom Museum in Progress organisierte Vorhang-Projekt in der Wiener Oper.
*
Marius Babias: Im österreichischen Länderpavillon der Biennale Venedig habt ihr vor dem Hintergrund des Kosovo-Krieges den Prototypen eines mobilen Flüchtlingsheims mit dem Titel “Mutter-Kind(er)-Haus”…