Reinhard Ermen
Weltuntergang & Prinzip Hoffnung
Kunsthaus Zürich, 27.8. – 7.11.1999
Der große exemplarische Beitrag zum “Prinzip Hoffnung” ging dem “Weltuntergang” voraus, denn die Ausstellung “Richtkräfte für das 21. Jahrhundert” (21.5. – 1.8.99, Kurator: Guido Magnaguagno) widmete sich den positiven (esoterischen) Energien, die Rudolf Steiner, Andrej Belyj und Emma Kunz ihrer Zeit voraussandten. Auch Harald Szeemann verstand das so und nahm von dort drei seiner “Lieblinge” (HS), Beuys, Kunz und Steiner in den “Untergang” mit. Und gleich danach soll wieder ganz das “Prinzip Hoffnung” triumphieren, wenn Szeemann über die Jahrtausendwende und Y2K hinweg Walter de Marias “2000 Sculpture” (26.11.99 – 16.1.00) am gleichen Ort inszenieren wird. Darüber hinaus gibt es im “Weltuntergang” noch genügend Verweise auf das kommende Neue, “das mit sich nimmt” (Ernst Bloch), so dass das “Prinzip Hoffnung” in der Titelzeile gerechtfertigt erscheint, auch wenn die apokalyptischen Szenarien in der Züricher Millenniumsausstellung ganz entschieden im Vordergrund stehen; schließlich ist das Drama der Katastrophe in jeder Weise attraktiver als das zukunfts-lächelnde “Antizipierende Bewusstsein”.
Gleich zu Beginn, am Ende der großen Treppe, eine Art Leitbild: Theodore Gericaults “Le Radeau de la Meduse” von 1819 in einer überlebensgroßen Kopie von Guillement & Ronjat (Amiens) aus dem Jahr 1860. Bezeichnenderweise will Szeemann in diesem Bild weniger den Augenblick der Rettung bebildern (die “Argus” am Horizont, die nach 12 Tagen von ehemals 400 noch 15 Überlebende an Bord nehmen kann), sondern den Untergang, den schier aussichtslosen Überlebenskampf in der nassen Hölle. In unmittelbarer Nachbarschaft zur kollektiven Tragödie der Schiffskatastrophe (wir dürfen auch an “Titanic” denken) platziert…