Ulf Poschardt
Welcome in the Realworld
Warum der Realismus weiterhin die einzig fortschrittliche Kunstform ist
I. Pop als Teil der Realworld
A. Rock’n’roll
Popkultur war von Anfang an Teil der Realworld. Das Fremdeln in der Realworld war ihr fremd. Sie war erklärtermaßen Teil derselben und wirkte auf sie ein und wurde eine der ideologischen Konstruktionsstuben der Wohlstandsgesellschaft. Der Übergang vom schwarzen R&B zum rassisch erstmal nicht festgelegten Rock’n’Roll Anfang der 50er Jahre wird allgemein als der Beginn der Geschichte der Popmusik verstanden. Die Musik von Bill Haley, Chuck Berry, Little Richard, Buddy Holly und Elvis Presley fusionierte die Melancholie und Härte des schwarzen R&B mit Elementen des weißen Country- und Western-Stils. Eine Musik für potentiell jeden Amerikaner war entstanden – besonders für junge Amerikaner, die in der Nachkriegszeit über entsprechende finanzielle Mittel verfügten, um einer Jugend-Konsum-Kultur zum Leben zu verhelfen.
Zusammen mit der Filmindustrie und dem expandierenden Fernseh- und Radiobetrieb formierte die Popmusik einen Gesamtverbund für Unterhaltung. Doch die Popmusik bildete eine Identität heraus, die nicht als systemstabilisierende Freizeitunterhaltung subsummiert werden konnte, sondern immer wieder Verwerfungen im Kontext der herrschenden Ideologie produzierte oder unterstützte. Die sich neu organisierenden Jugendkulturen radikalisierten das für das Adoleszenzalter typische Aufbegehren gegen die Erwachsenenwelt. Die Popmusik hatte eine neue Form der Resistenz gegen das Einpacken durch den Diskurs der Macht entwickelt. Der Klassenantagonismus tauchte nur fragmentarisch auf, statt dessen wurden moralische, sexuelle oder einfach Geschmacksdifferenzen konstruiert. Eine neue “Grammatik von Lebensformen”1, wie Habermas es nannte. Für viele traditionelle linke Denker war das der Grund, Popmusik als Ausdruck von Dissidenz nicht…