Paolo Bianchi
Weiße Madonna
Das Projekt „Vb South Sudan“ von Vanessa Beecroft
Der italienische Performance-Künstlerin Vanessa Beecroft (*1969 Genua) reist im Jahr 2005 das erste Mal nach Afrika, wo sie im Südsudan eine „unglaubliche Erfahrung“ (Beecroft) macht. Als der Gastgeber, die Diözese in Rumbek, erfährt, dass ihr zweiter Sohn Virgil erst ein paar Monate alt ist und sie ihn noch stillt, wird sie in ein Waisenhaus gebeten, wo sie dann zehn Tage bis zu ihrer Abreise bleibt. Dort gibt sie den schwarzen Zwillings-Säuglingen Madit und Mongor die Brust. Auf diese Art entsteht das Herzstück ihres Projekts „VB South Sudan“: ihr Selbstporträt als „Weiße Madonna“. Dabei trägt sie ein am Saum verbranntes Kleid des Belgiers Martin Margiela, dessen Mode sich durch Weglassungen kennzeichnet: keine Farbe, kein Logo, kein Markenname. (Abb. 1)
Völkermord ist vorbei
Wer im Juli 2008 in Rumbek ankommt, erlebt zuerst das erbarmungslose Stechen der Sonne vom weiten Himmel über der Stadt. Doch bald rückt eine Wolkenfront heran, denn im Südsudan ist Regenzeit. Auf die ausgetrocknete Erde fallen schwere Wassertropfen. Rumbeks und seine Straßen, ehemals das Hauptquartier der südsudanesischen Rebellen, verwandeln sich binnen Minuten in eine Tümpellandschaft. Die Bombenkrater, welche die Angriffe sudanesischer Kampfjets massenhaft hinterlassen haben, füllen sich mit Wasser.
Mehr als drei Jahre ist es her, dass die südsudanesische Volksbefreiungsbewegung und ihre ehemaligen Todfeinde aus dem islamischen Norden in einem Friedensvertrag den über zwanzigjährigen Bürgerkrieg beendet haben. Doch Rumbek mit seinen 200 000 Einwohnern hat noch immer keine asphaltierte Straße.
Der Völkermord in Darfur ist vorbei, behauptet Justin Marozzi in der britischen Zeitschrift…