Warburgs Erinnerungsbilder:
Bewältigungsstrategien der Antike
Versucht man sich einen Überblick über die kunst- und kulturgeschichtliche Forschungstätigkeit von Aby Warburg (1866-1929) zu verschaffen, findet man nur wenige von ihm selbst verfaßte, aber reichlich Bücher, die sich mit seinem Leben, seinen Ideen und deren Weiterentwicklung beschäftigen. Nicht zuletzt Warburgs Schwierigkeit, einen Text als vollendet zu betrachten, was Kurt Forster mit dessen Wortmagie zwischen Visuellem und Begrifflichen umreißt, ist für die geringe Zahl seiner vollendeten Studien verantwortlich. Dies verhinderte aber nicht, daß er zu einem Nukleus der Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts wurde. Eine Liste, der mit der von ihm gegründeten Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg in Hamburg (1919-33) und des Warburg Institutes in London (ab 1933) in Verbindung gebrachten Forscher, liest sich wie ein Namedropping bekannter Kunsthistoriker, Philosophen, Byzantinisten und Philologen dieses Jahrhunderts.
Die Neuerscheinung “Aby M. Warburg »ekstatische Nymphe… trauernder Flußgott«. Portrait eines Gelehrten” prüft den Stand der Forschung. Da die Texte z.T. einer Hamburger Vortragsreihe entstammen, findet sich, trotz ihrer linear biographischen Anordnung, eine Redundanz bezüglich Warburgs Anfängen und die Exegese fällt leider partiell in Eklektizismus ab. Sein Leben scheint eine optimale Projektionsfläche für verklärende Interpretationen zu bieten, die sich scheinbar immer noch von seiner psychischen Instabilität sowie seinem interdisziplinären Ansatz angezogen fühlen. Dies läßt ihn wie eine Gallionsfigur in die unerforschten Welten der Geschichte der Bilder hineinragen. Leider suggerieren die vielen abgebildeten Portraitfotos nicht nur eine rückwärts gewandte, authentizistische Autorschaft, sondern auch überflüssigen Personenkult.
Gombrich versucht, Warburg als späten Evolutionisten des 19. Jahrhunderts zu entlarven. Dagegen hebt Werner Hofmann die Überwindung des Originalbegriffs in Warburgs Theorie…