München
WangShui
Toleranzfenster
Haus der Kunst 08.09.2023 – 10.03.2024
von Jolanda Drexler
Die tief wurzelnde Sehnsucht des*der Kunstbetrachter*in nach einer ganz neuen Bildfindung könnte in der gleichermaßen faszinierenden wie fordernden Ausstellung von WangShui gestillt werden. Der*die non-binäre US-amerikanische Künstler*in generieren Video, Skulptur und Malerei mit künstlicher Intelligenz – gleichermaßen als Versuch einer Symbiose zwischen Mensch und Technologie. Diese erste institutionelle Ausstellung WangShuis in Europa ist die perfekte Visualisierung und das Pendant zum „KI-Boom der vergangenen Monate“(Andrian Kreye, SZ), den die Firma Open AI mit der Einführung von Chat-GPT und Dall-E auslöste. (Vor Kurzem hat auch die TU mit dem Munich Data Science Institute ein Zentrum für Künstliche Intelligenz gegründet). Zudem korrespondiert die futuristisch schillernde Schau höchst anregend mit der benachbarten, großartigen Ausstellung über historische Environments von Künstlerinnen zwischen 1956 und 1976 – dort vollzieht sich die Immersion in körperlicher Tuchfühlung, hier auf der virtuellen Ebene.
Die fantastischen KI-Welten lassen sich im Haus der Kunst in zwei atmosphärisch abgedunkelten Ausstellungsräumen erleben, die von den Hauskuratorinnen Sarah Johanna Theurer und Teresa Retzer eindrucksvoll arrangiert worden sind. Im ersten Raum wundert man sich zunächst über kanonisch gehängte, magisch schimmernde Aluminiumbilder, die auf den ersten Blick dekorativ wirken. In der dichten, amorph-ornamentalen Bildstruktur konkretisieren sich immer wieder Gegenstände wie etwa ein Sektglas, ein Geländer und bevorzugt Voluten. Letztere tauchen kurioserweise auch handgreiflich als Bronzeplastiken auf den Bildflächen und an den Rändern auf – durchaus als Lästerzungen zu verstehen, aber auch als Rekurs auf die Innenarchitektur dieses exemplarischen frühen NS-Baues. In dem schönen BR-Capriccio-Beitrag von Maximilian Sippenauer erklären WangShui,…
