Walter de Maria: 360° I-Ching
Centre Georges Pompidou/Paris
Kung-fu-tse oder Konfuzius, chinesischer Philosoph, 552 v.u.Z. geboren, hinterließ, außer einigen Schriften und Gesprächen, die mündlich überlieferten Grundlagen einer Verhaltenslehre, einer Moral- und Lebensphilosophie, die später zur Staatsreligion wurde. Ihm wird auch die Synthese der hermetischen Formeln des I-Ching zugeschrieben, eines Klassikers der chinesischen Philosophie, der Walter de Maria zu seiner jetzt im Forum des Centre Georges Pompidou gezeigten Installation angeregt hat. Das I-Ching, auch Buch der Wandlungen genannt, besteht aus einem Ensemble von vierundsechzig Hexagrammen, in Einheiten von je sechs Linien, die ganz oder aber zweigeteilt sein können. Dem dualistischen Denkprinzip des Yin und Yang entsprechend werden diese Einheiten in der Ost-West oder der Nord-Süd-Achse gelesen und haben so immer zwei mögliche Bedeutungen. Eine der Kernideen des Konfuzianismus ist die Lehre von der unabänderlichen Gleichmäßigkeit in der Natur, eine Kontinuität, die sich hier in der strikten Einfachheit der regelmäßig aneinandergereihten linearen Elemente ausdrückt. Aber diese Gleichmäßigkeit basiert auf der dualistischen Auffassung der Natur, symbolisiert im Yin und Yang, den beiden gegensätzlichen Urelementen, die sich in ständiger Bewegung befinden und einander ergänzen und durchdringen. Folglich hat auch jedes Ideogramm im I-Ging jeweils zwei sich widersprechende Inhalte.
Walter de Maria hat die Linien in vierundsechzig Mal sechs weißlackierte, sechseckige, zwei Meter lange Holzstäbe übersetzt. Bei sechs zusammengeordneten Stäben, die entweder alle, oder zum Teil oder gar nicht zerteilt werden, ergibt sich eine Anzahl von vierundsechzig Variationsmöglichkeiten. Nur acht unter ihnen bilden symmetrische Figuren und somit einen einzigen Sinn. Was sonst von der einen Seite her gelesen…