Rebecca Solnit
Walking and Thinking and Walking
Fünf Meilen Gedanken über das Gehen als kulturelle Handlung
Muskeln spannen sich an. Ein Fuß löst sich vom Boden. Das eine Bein hält, einer Säule gleich, den Körper aufrecht zwischen Himmel und Erde. Das andere wird vorgeschwungen. Das Gleichgewicht verlagert sich. Die Ferse berührt den Boden, dann die Zehen. Ein Schritt, der den Bogen vollendet. Die Ferse hebt sich, das Gleichgewicht verlagert sich. Und das andere Bein wird vorgeschwungen. Gehen, mit einem Wort. Die einfachste Sache der Welt und zugleich eine der unergründlichsten. Ein Vorgang, der weder bewußt noch angeboren ist, zu vertraut, um ihn zu verstehen. Dieses Gehen, es gerät so leicht hinein in Religion, Philosophie, Landschaft, Anthropologie, Anatomie, Allegorie, Liebeswerbung und Herzeleid.
Gehen ist Denken
Ich mache einen Spaziergang, um über alles nachzudenken – nicht den von meinem Haus aus zum Pazifik, den ich heute mit einem Freund vorhatte, welcher dann aber nicht kommen konnte, sondern einen Spaziergang allein, weiter nach Norden hinauf, in eine wildere, steilere Küstenlandschaft, an einem Tag, da der Nebel so dick ist, daß es keine Ferne gibt. Ich gehe in ständig wechselnder Einsamkeit um mich herum, die nur von Geräuschen durchdrungen wird. Die Wege ließen sich am ehesten so beschreiben, als wäre der Hügel, den ich umrunde, ein Kopf, und ich würde als kleine Milbe vom Nacken nordwärts am Haaransatz entlang reisen, knapp unterhalb des Scheitels die Stirn überqueren und südwestlich um die andere, die Küstenseite herum dorthin hinuntergehen, wo ich hergekommen bin: ein Traumwandeln um eine verträumte Landspitze. Ich…