Hanne Weskott
Wainer Vaccari
Girotondo
Kunstverein, 28.10.-27.11.1988
Galerie Artinizing, 29.10.-30.11.1988
In sich verschlungene Gestalten tanzen einen seltsamen Luftreigen, stürzend und sich gegenseitig stützend. In der glasklaren Atmosphäre über dem tiefliegenden Horizont finden sie nur in einer blau gekleideten, in sich extrem verbogenen Frauengestalt Halt. “All’ombra delle cattedrali” heißt dieses Hauptwerk von Wainer Vaccari, das 1983 entstanden ist. Jeder kunstbeflissene Betrachter sucht bemüht nach historischen Vorbildern. Nach Vaccari selbst wurde es durch Albert Weltis “Walpurgisnacht” angeregt. Man könnte aber auch an den “Raub der Töchter des Leukippos” von Rubens denken oder an Guido Reni. Die atmosphärische Malweise des Abendhimmels hingegen erinnert an die Farb-Licht-Malerei des 19. Jahrhunderts, die klare Kontur des tiefen Horizonts fast an Kobell. Aber, was erklärt das schon? “All’ombra delle cattedrali” ist ein reines Phantasieprodukt eines Künstlers des 20. Jahrhunderts, der viele Bilder gesehen und verinnerlicht hat. Er geht mit ihnen sehr frei um und hilft uns nicht, seine einzelnen Themen, die irgendwo zwischen Groteske und tieferer Bedeutung angesiedelt sind, zu entschlüsseln. Er spielt mit ikonografischen Zitaten ebenso wie mit formalen oder malerischen. Er fasziniert durch eine gewisse Skurrilität, altmeisterliches Können und rätselhafte Bilderzählungen.
“All ‘ombra delle cattedrali” ist eines der frühesten Bilder der Ausstellung und könnte ebenso als Titelblatt für “Girotondo”, was ‘Reigen’ bedeutet, gelten wie “Gira in tondo” oder “Tondo”, beide von 1986. Der Reigen ist aus der Sphäre des Himmels auf den Erdboden zurückgekehrt. Das Thema wird dadurch zwar nicht weniger rätselhaft, aber einschichtiger. Hier steht die Mixtur des künstlerischen Zitatenschatzes hinter der Entwicklung einer eigenständigen Bildwelt, die…