Vostell ’92
von Reinhard Ermen
Das Ganze gleicht einer Heimholung, denn 1971 verließ Wolf Vostell entäuscht die undankbare Stadt Köln. Zwar empfing man ihn in West-Berlin, wohin der Zornige floh, nicht gerade mit offenen Armen, doch Berlin, das damals durch einen Betonriegel in zwei Hälften geteilt war, räumte ihm bereits 1975 die obere Etage der Nationalgalerie frei, um eine erweiterte Retrospektive seines Werks aus Paris zu übernehmen. Die Erinnerung an dieses Ereignis blieb haften, obwohl sich jetzt in NRW nicht weniger als fünf Museem zusammenrauften (hinzu kommt noch die Kunsthalle Mannheim), um Vostell, der am 14. Oktober 1932 in Leverkusen geboren wurde, zu ehren. Und Vostell ließ sich feiern, besonders den Kölner Triumph schien er sichtlich zu genießen; an der Teilung bzw. Aufteilung und Installierung seines Werks hat er aktiv mitgewirkt, obwohl er noch von größeren Triumphen zu träumen vermag, nämlich einer Ausstellung in der streng chronologisch gezeigt werden könnte, was der Künstler Jahr für Jahr gemacht hat. Eine Ausstellung, eine Retrospektive fast wie ein monumentales Tagebuch.
Der Künstler, der am 6.9.1954 das Schlüsselwort seines Kunstdenkens rein zufällig in einer Pariser Zeitung fand, ist maßlos. Seine Umdeutung des Wörtchens “décollage”, was soviel heißt wie Starten, etwa eines Flugzeugs, aber auch Abkratzen (das ist zweideutig wie der ganze Begriff) von Farbe etc., ist die Keimzelle zu einem Universalismus, dessen Material die Wirklichkeit selbst sein soll. Indem der Künstler da hineingreift, Verkrustungen aufbricht, andere Wirklichkeiten und Realitäten hinzufügt, öffnen sich die starren medialen Grenzen zwischen den Künsten. Gleichzeitig simuliert der Aktionist die politischen Realitäten der…