Vorwort
Am 12. Oktober 1992 werden die USA und Spanien (und der Rest der westlichen Welt) die Entdeckung Amerikas feiern – unter dem Motto “Begegnung zweier Kulturen”. Der 500. Jahrestag wird dann als Höhepunkt der durch Kolumbus begonnenen Invasion und Kolonisation (was Völkermord, Sklaverei und Ausplünderung bedeutete) in der Neuen Welt zelebriert werden. Bei allem Respekt vor dem heftigen Widerstand, der sich gegen die offiziellen Feierlichkeiten bildet, und ohne uns zu Apologeten der Conquista machen zu wollen, bleibt der grosse Fest-rummel mit Pomp und Gloria doch eine Inszenierung wert. Denn was die Veranstalter sich heute nicht träumen lassen können, wird schon sehr bald Wirklichkeit sein: Die Feier der Eroberung Amerikas wird sich nämlich zur Verwunderung vieler urplötzlich als Feier eines markanten Wendepunktes in der Geschichte des Schauplatzes Amerika entpuppen, als eine Feier der Befreiung aus der Unterwelt des 500jährigen Reiches.
Es sind ausnahmsweise nicht philosophische oder historische Spekulationen und Prophezeiungen post- oder nachpostmoderner Prägung, die eine verheissungsvolle Wendezeit und kulturelle Herausforderung anzeigen, sondern im Gegenteil trockene Statistiken, wie sie vom Volkszählungsbüro der USA ermittelt wurden: Gemäss einer Studie der amerikanischen Regierung wird die weisse Bevölkerungsgruppe, die heute 75,9 Prozent der US-Gesamtbevölkerung ausmacht, in den nächsten beiden Generationen kaum anwachsen. Hingegen soll sich die Zahl der Nichtweissen, vor allem der Hispanics, der Asiaten und auch der Schwarzen bis zum Jahr 2020 auf 115 Millionen verdoppeln und bis 2056 die Zahl der Weissen übertreffen.
Der heutige Ausnahmezustand von Flucht, Völkerwanderung, Exil und Migration ist drauf und dran, sich an der Schwelle zum 21. Jahrhundert vor…