Vorsicht, wir verlassen den realen Sektor
Cyber-Moderne
Konnte man in den 80ern bis in die Mitte der 90er das Gefühl haben, die Apologeten der Cyber-Theorien schwelgten in reiner Selbsterfüllung (und dies meist in einer fiktional euphorisierten Werbesprache), kann dagegen für die ausgehenden 90er ein anderes Resümee gezogen werden. In dem Versuch, “die sozialen und kulturellen Gründe und Folgen” der Medienentwicklung zu analysieren, erinnert Manfred Faßlers Rhetorik in seinem Buch “Cyber-Moderne. Medienrevolution, globale Netzwerke und die Künste der Kommunikation” zunächst an die unkritische Feier der Cyber-Jünger. “Erkenntnisse der Quantenmechanik, des radikalen Konstruktivismus, der Kognitionsforschung und der Systemtheorie in Zusammenhang mit kunsttheoretischen Fragen und künstlerischen Projekten” (S. 24) sollen einbezogen werden. Dabei legt Faßler eine austarierte epistemologiekritische Wegstrecke zurück, denn es gelingt ihm mittels kritischer Diskursanalyse, die nie in Kulturpessimismus abgleitet, neue Perspektiven zu öffnen. Allerdings finden sich die Kronzeugen der Präcomputer-Zeit wie Vaucansans künstliche Ente, Jaquards Webstuhl oder Babbages Zählmaschine wie in vielen Untersuchungen, wodurch eine gewisse Redundanz entsteht. Indem er den “Cybernetic Turn” ausruft (S. 13), steuert er von der Absetzung gegen die “bloß werkzeugorientierten Computertheorie[n]” (bspw. Friedrich Kittlers) mit ihrer Militärtechnikfixiertheit zu den individualistischen Wunschträumen der AutorInnen von “technologies of freedom”, wie es die Hippy-affizierten Medientheorien in den 80er Jahre verheißen wollten, hin zu seinem Versuch der Neufassung des Kybernetikbegriffs. Dabei bezieht er sich – immer die Mensch-Maschine-Relation im Blick – auf den Evolutionsbegriff von Maturana (S. 9), der zwar nicht-biologistisch angelegt ist, biologische Aspekte aber auch nicht unberücksichtigt lässt.
Faßler irrt oder idealisiert jedoch gewaltig, wenn er glaubt, die Medienentwicklung habe…