Johannes Meinhardt
Von Tagebuch bis weblog
»Tägliche Strategien in der Gegenwartskunst«
Städtische Galerie Bietigheim-Bissingen, 19.10.2013 – 6.1.2014
Diese Ausstellung, die Arbeiten von 13 Künstlerinnen und Künstlern präsentiert, besitzt zwei ziemlich weit auseinanderliegende thematische Pole. Der eine Pol umfasst Arbeiten, die in der Mitte der sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts einsetzten (Hanne Darboven, On Kawara, Roman Opalka); Arbeiten, die direkt mit der extremen Ausweitung des Begriffs von Malerei und von Kunst generell zusammenhängen, die um 1960 einsetzte. Im Rahmen dieser Ausweitung, dieser Verschiebung der Aufmerksamkeit und des Objekts der – in einem weiteren Sinn immer noch – ästhetischen Aufmerksamkeit, rückten nicht nur die materiellen Prozesse im Werk sowie die materiellen und geistigen Tätigkeiten und Aktionen in der Produktion in den Blickpunkt, sondern auch das agierende Individuum, die alltägliche Tätigkeit des Künstlers ebenso wie seine reale und kontingente Existenz als Lebewesen. Und die radikalste Erfahrung der leeren, kontingenten Existenz ist die Langeweile. In dieser Erfahrung sieht sich das Subjekt dem leeren, sinnlosen und erschreckenden Verstreichen der Zeit ausgesetzt, einer zerstörerischen Drohung. Schon die frühchristlichen Asketen und koinobitischen Mönche in den ägyptischen Wüsten kannten und fürchteten den Dämon des Mittags, den daemon meridianis. Dieser Dämon bezeichnete die Erfahrung der völligen Entleerung der Welt, des Verlustes aller Bezüge in der Welt, und damit das Zurückgeworfensein auf die leere Existenz. Dieser Drohung gegenüber kann sich das Subjekt beispielsweise durch die rituelle Wiederholung von Tätigkeiten behaupten, oder durch das demonstrative Konstatieren seiner Realität als der Zeit unterworfene Existenz.
Roman Opalka (1931-2011) malte im Herbst 1965 sein erstes Zahlengemälde, indem…