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Magazin · von Stefan Römer · S. 506 - 507
Magazin , 2000

Von Junggesellen, Femmes Fatales und Vorläufern der Cyborgs

Bezieht man Sol LeWitts konzeptuellen Satz, “Die Idee wird zur Maschine”, auf den Kreativitätskult der 60er und 70er Jahre, könnte dies auch als ökonomisches Paradigma eingesetzt werden. Galt dies bis in die 80er Jahre – von der Idee zur Realisation –, würde es in den 90er Jahren unter der Herrschaft von Bill Gates genau umgekehrt lauten: seine Maschine ist die Idee. Der Computer reproduziert nicht nur permanent seine eigenen Programme und sich selbst, sondern er produziert auch das Begehren seiner BenutzerInnen nach neuen, noch effizienteren Maschinen und neuen Programmen. Also gilt nun: von der Maschine zur Idee.

Bezieht man dies auf das Modell der Wunschmaschinen in Gilles Deleuzes und Felix Guattaris “Anti-Ödipus” (1972), in dem es heißt: “Der Schizophrene ist der universelle Produzent” (S. 13), müssten – in einem intellektuellen Kurzschluss – alle Computerbenutzer “Schizo-Subjekte” sein, denn sie sind gespalten zwischen der Hingabe an die Wunschmaschine und dem Wunsch nach Realisation ihrer Projekte. Jede Realisation lässt jedoch neues Begehren entstehen. Deleuze und Guattari meinen: “So sehr ist alles Produktion, dass die Aufzeichnung unmittelbar Konsumtion, Verzehr, die Konsumtion unmittelbar Reproduktion wird.” (S. 10) Der Unterschied besteht darin, dass die Maschine für Gates einen ökonomischen Gewinn einspielt, während die Wunschmaschine einem selbstgenügsamen, antikapitalistischen Ideal dient. Daher stehen die beiden Rhetoriken entgegengesetzt zu einander.

Diese Form der Schizo-Produktion wird im “Großem Glas” (1923) von Marcel Duchamp durch die Figuren der Junggesellen persifliert, diejenigen Charaktere, die durch ihre Wunschproduktion die Ökonomie der Ideen erhalten. Schon die umfangreiche Ausstellung “The…

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