MARIUS BABIAS
Von der Superform zum Bildcontainer
Zu den neueren computergestützten Prints von Thomas Bayrle
Der Raster ist seit 1967 Thomas Bayrles zentrales künstlerisches Konstruktionsprinzip. Piktogramme von Gegenständen wurden so lange reproduziert und aneinandermontiert, bis eine Rasterfläche, eine Matrize entstand, die, seriell gesiebdruckt, eine aus unzähligen Rastern bestehende Totale eben dieses Gegenstandes ergab. Die von Goethe bei Novalis geborgte romantische Maxime, wonach das Detail sich im Ganzen spiegele (nämlich das Göttliche im Irdischen), erfuhr bei Bayrle eine dialektische Wendung in der mechanischen Reproduktion. Es entstanden eine ganze Reihe von Ochsen-, Schuh-, Tulpen- oder Tassenrastern, die auf Bildern, Tapeten, Vorhängen oder Mänteln umgesetzt wurden. Gott war gewissermaßen logorhythmisiert worden auf eine Maßeinheit, die, vielfach reproduziert, zwar noch eine Superform ergab in ihrem totalisierten Ebenbild, aber eben eine geklonte. Bayrle erfand und deklinierte eine bestechende ästhetische Formel mit weitreichenden politischen Konsequenzen: Das Individuum wird kollektiviert. Der Einzelne wird nur unter teilweiser Preisgabe seiner Individualität in die Superform, die Gesellschaft, aufgenommen; die Superform suspendiert so zwar die Individualität, stellt aber ein kollektives Identitätsmodell in Aussicht. Diese dialektische Feinmechanik bedingt die Gießform politischen Lebens, und sie steuert für Bayrle auf der Ebene der kulturellen Produktion auch das strenge Regime von Zeichenbeziehungen.
Der Text produziert Bilder, um sie kritisieren zu können. Der Text löst die Bilder in einzelne Zeilen, in Schrift auf. Die Moderne ist zum Synonym für die Zähmung der Bildmaschine durch die Schrift geworden. Die Apologeten der Neuen Medien dagegen propagieren die Rückkehr der Bilder, ihren Aufstand gegen die Zeichen und die Schrift. Kunst verlangsame aufgrund…