Andreas Denk
Am 27. September 1992 war es soweit: Zum ersten Mal seit fast 50 Jahren war das Gelände des berühmten Festspielhauses in Dresden-Hellerau wieder öffentlich zugänglich. Hellerau-Freunde aus ganz Deutschland waren angereist, um im Rahmen eines mehrtägigen Festes das traditionsreiche Gelände wieder betreten zu können.
Die berühmte Jaques-Dalcroze-Schule, in deren Zentrum das von Heinrich Tessenow erbaute Festspielhaus steht, hat eine bewegte Geschichte hinter sich. 1899 gründete der erzgebirgische Tischlermeister Karl Schmidt die “Dresdner Werkstätten für Handwerkskunst”, um im Anschluß an die Kunsthandwerksreform jener Jahre zeitgerechte und werkgetreue Formen herzustellen. Der rasch wachsende Betrieb erzwang eine Verlegung von der engen Stadt aufs platte Land. Schmidt lernte über Friedrich Naumann den jungen Wolf Dohrn kennen. Beide errichteten zusammen mit dem Architekten Richard Riemerschmidt ab 1906 im Dresdner Vorort Hellerau eine Gartenstadt und ab 1909 die “Deutschen Werkstätten”, die Schmidts alte Fabrik ersetzten und schnell zum “Markenzeichen” wurden. Dohrn protegierte darüber hinaus jedoch auch kulturelles Leben. Gegen die ablehnende Haltung von Schmidt und Riemerschmidt setzte er den eine Million Mark teuren Bau eines Festspielhauses für die Siedlung durch. Dohrn veranlaßte auch 1910 den Genfer Tanzpädagogen Emile Jaques-Dalcroze zur Übersiedlung, der fortan regelmäßige Kurse in Hellerau abhielt. Die Übungen und Aufführungen Helleraus zogen bald einen Kreis internationaler Künstler und Kunsthandwerker in die Gartenstadt. Bei Dalcroze studierten u.a. Tänzerinnen wie Mary Wigman und Suzanne Perrottet. Höhepunkt der Festspielgeschichte des Orts war Paul Claudels Inszenierung seines Stückes “Verkündigung” im Oktober 1913, deren Aufführung Henry van de Velde, Karl Ernst Osthaus und Oskar Kokoschka beiwohnten. Besondere Aufmerksamkeit fand…