Von der Freiheit des Animalischen oder die Rache der Natur
Zu den Bildern und Zeichnungen von Christa Näher
von Annelie Pohlen
Politisch, gesellschaftlich, kulturell, öffentlich und privat: Natur ist in! Natur nicht länger als Idylle, sondern als Inbegriff tödlicher Bedrohung, als Krisenmeßwert für das Ende der menschlichen Zivilisation. Dies ist die eine Seite des aufgeschreckten Bewußtseins von der Natur. Auf der anderen Seite füllt sich nicht die materielle Wirklichkeit, sondern die Vorstellung von ihr mit wachsenden Emotionen, mit Visionen im Feldzug für die Befreiung des Lebens von den Fesseln rationalistischer Verplanung und Ausrottung lebendiger Energien. In diesem Kontext nimmt das Animalische als anti-rationale Energie mehr und mehr Bedeutung als zeichenhaftes, nicht fixierbares Indiz an. Im wachsenden Bestreben, die Grenzen einer Gesellschaft vernünftiger und funktionstüchtig dressierter Menschen zu sprengen, Natur und Animalisches mit allen dem Menschen verfügbaren Kräften auszuloten, hat auch die junge Kunst, vielfach als neue Inhaltsmalerei qualifiziert, dem Tier einen augenscheinlich schillernden Platz im Bild zugewiesen. Daß es bei diesem wie bei anderen Gegenständen der jungen Malerei – Porträt, Stilleben, Landschaft, – nicht um Belebung alter Abbildfunktionen gehen kann, daß hier nicht materiell erfahrbare Wirklichkeit auf der Leinwand verdoppelt wird, muß nur am Rande erwähnt werden. Das Tier als Chiffre für eine von der rationalistischen Zivilisation unterdrückte Lebensenergie steht in engem Zusammenhang mit der gegen Ende der 70er Jahre entfachten Diskussion der nouvelles philosophes über die Befreiung der anarchischen Triebkräfte zur Erneuerung einer erstarrten Gesellschaft. Angesiedelt zwischen exotisch-märchenhafter Fülle und latenter Komik, zwischen der Trivialität des Bekannten und der Magie des…