Vom Theater der Erinnerung zur Dekonstruktion der Bilder
Kathrin Hoffmann-Curtius
Geschlechterspiel im Dadaismus
Nicht erst das, was Judith Butler zum theoretischen Programm machte, sollte die vermeintliche Ordnung der Geschlechter verwirren. “Gender Trouble” verursachten zweifellos auch schon einige der (Selbst-) Portraits und Figurenbilder aus dem Kreis der DadaistInnen und deren Umfeld. Johannes Baargeld, der hier stellvertretend für dadaistische Künstler- oder Philosophenportraits im Oeuvre von Erwin Blumenfeld, George Grosz und Luise Straus-Ernst zitiert sei, setzte auf das Photo des Oberkörpers der Venus von Milo ein Lichtbild seines Gesichts mit angeschnittener Schirmmütze. (Abb. 1)
Bei aller Komik, die das Verwirrspiel der Collage unterschiedlicher Körperteile hervorruft, geschieht ihr Zusammenkleben dennoch beileibe nicht beliebig. Das Spiel läßt feste Regeln erkennen. Sie wurden durch das konstante Schema in der “Vertikalklitterung” der Künstlerselbstbildnisse bestimmt. Hannah Höch brachte auch dieses Reglement durcheinander. Mit ihrer spezifischen Parodierung in Worten (so zum Beispiel ihr Essay “Der Maler” von 1920) und in ihren Collagen (Abb. 2) verwirrte sie die Geschlechterbinarität auf eine Weise, die man schon beinahe als einen strategischen Vorschlag Judith Butlers lesen könnte. Sie erprobte sich in “transitorischen Turbulenzen”. 1929 sagte sie: “ich möchte die festen grenzen verwischen, die wir menschen selbstsicher, um alles erreichbare zu ziehen geneigt sind.” Höch spielte mit ihrer Kopfikone des “Da-Dandy” vermutlich direkt auf ihren Künstlerkollegen George Grosz an, der sich ganz betont als solcher im damaligen Berlin in Szene setzte.
Die Selbstbildnisse der erwähnten Dadaisten zeichnen sich dadurch aus, daß die Autoren ihre Köpfe stets oben behalten und nur ihr “restlicher Körper” zur Verwandlung frei gegeben ist….