Vom Rand ins Zentrum – Vom Buch zum Publizieren
TENDENZEN KÜNSTLERISCHER PUBLIKATIONSPRAXIS
von Annette Gilbert
„From Nuremberg to New York, there can be no history of publishing, only publishings.“1 In diesem Sinn ist das im Kunstkontext prosperierende Publizieren nur eine von vielen Spielarten, bei der sich erst erweisen muss, ob es berechtigt ist, von einer eigenen, dezidiert künstlerischen Praxis zu sprechen, wie es der Slogan „Publishing as Artistic Practice“ nahelegt. In jedem Fall zeigt er an, dass sich der Akzent verschoben hat: vom Produkt zur Praxis, vom Buch zum Publizieren, von Inhalten und Gestaltung hin zu den Begleitumständen, Praktiken und Prozessen, die eine Publikation begleiten.
Im Gegensatz zu abstrakten Datenmengen sind Bücher konkrete Maßeinheiten, die wir begreifen können.
ALTERNATIV
Daneben impliziert der Slogan, dass diese künstlerischen Publikationspraktiken von der sonstigen Kunstpraxis so grundverschieden seien, dass sie befreiend, ja revolutionierend auf diese wirken könnten. In programmatischer Form findet sich dieser Gedanke etwa in Antoine Lefebvres Beschreibung seiner Praxis als „artiste-entrepreneur“, der seinen Verlag La Bibliothèque Fantastique (2009 – 13), Unternehmen und Kunstwerk zugleich, heterotopisch zwischen den Welten situiert: „LBF ist ein Werk, das aus Werken anderer besteht, von einem Künstlerherausgeber, dessen künstlerische Praxis es ist, Bücher herauszugeben.“2 Der Reiz solcher Unternehmungen besteht in ihrer doppelten Verortung in der Kunst und in der realen Welt: „Diese Praxis ist insofern alternativ, als sie einen Gegenentwurf zum üblichen, die Kunstwelt dominierenden Modus Operandi darstellt: Sie ist zugleich ein alternativer Raum für die Kunst; ein neuer Ort, an dem sie sich anders entwickeln kann; aber auch eine Alternative zum Kunstmarkt,…