Vom Denken und Vorstellen der Turbulenzen
Hans-Joachim Müller
Der Faden, die Flügel
Dädaläischer Algorithmus und Icaräischer Sonderweg – zu Zwei Weisen des Erinnerns
Der Landmann groß im Bild.1 Vor sich den Pflug, vor sich das Pferd, zusammen ein nützliches Gespann. Eingebunden in den Kreisgang des sich weiterzeugenden Lebens, kreisen Zugtier, Technik und Steuermann im aufgewühlten Boden. So wird aus viel Natur ein bißchen Kultur. Recht hat der Landmann, daß er ganz bei der Sache ist, daß er auf die Erde sieht, von der er lebt und mit der er lebt. Der Dolch im Acker, die Leiche im Gebüsch, wen kümmert’s schon?2
Der Schäfer hat nichts zu tun. Das ist kein Privileg. Daß er in der sozialen Hierarchie weiter unten rangiert, gibt schon die tiefere Landschaftsstufe zu bedenken, auf der er seine Tiere, die wohl nicht seine sind, weiden läßt. Das ist nicht der Hölderlinsche Hirt, der am grünen Abhang wohnet und in heiligem Schatten die Gipfel schauet.3 Unser Schäfer schauet den Himmel. Dort zieht graues Abendgewölk auf und löscht, was nah scheint und fern. Schluckt alles sichtbar Begrenzte. Wir möchten annehmen, daß der Himmelsschauer nichts sieht. Und auch nicht in den Himmel schaut, um zu sehen. Eher, um abzusehen, um wegzusehen. Von der Erde etwa, an deren Lebensrhythmen er nur passiv beteiligt ist. Passiver jedenfalls als der pflügende Mensch eine Klasse weiter oben.
Der Bauer bewegt sich, kommt im Zyklus von Saat und Ernte immer wieder dort an, wo er aufgebrochen ist. Um ihn, den Schäfer am vergleichsweise unproduktiven Platz, dreht sich das Leben, an…