Dirk Schwarze
Vollrad Kutscher
Möglichkeiten des Porträts
»Einatmen – Ausatmen«
Kasseler Kunstverein, 19.1. – 1.3.1992
Vollrad Kutscher setzt sich seit mehr als einem Jahrzehnt konsequent mit der Kunst des Porträts auseinander. Die Unmöglichkeit des traditionellen Porträts voraussetzend, erkundet er neue Möglichkeiten. Dabei kommt ihm zugute, daß die Fotografie und die Performance zwei elementare Stützen seiner Arbeit sind. Denn leidet nicht das klassische Porträt darunter, daß es den Versuch einer idealtypischen Zuspitzung darstellt, daß es nur eine von hunderten denkbarer Formen eines Gesichts bildet? Die Installation “Einatmen – Ausatmen”, die Kutscher für den großen Saal des Kasseler Kunstvereins schuf (und lediglich kurz zuvor im Frankfurter Funkhaus des Hessischen Rundfunks zeigte) scheint das Wahrnehmungsproblem des Porträts aufzugreifen und zu analysieren: Auf 144 Sockel stellte Kutscher 144 Terracotta-Porträtmasken eines Mannes – des Schauspielers Norbert Klasen. Die Gesichter schweben in der Luft; sie werden von der Hand (und dem Arm) gehalten, auf die das Kinn nachdenklich gestützt ist. Oder sind die Porträts nur Masken, die sich einer vor das nicht sichtbare Gesicht hält? Ja, damit könnte der Schauspieler mit seinem Doppelgesicht charakterisiert sein.
Schreitet man die militärisch geordneten Porträtreihen ab, dann merkt man, daß die Masken nahezu identisch sind. Lediglich in einer Reihe glaubt man sich beim Vorbeilaufen in einen langsam abspulenden Film versetzt: Das Gesicht öffnet und schließt die Augen.
Den erstarrten Gesichtern begegnet man ein zweites Mal: In Sekundenbruchteilen huschen sie über einen Monitor, so daß die Standfotos zu einem Film zusammenzufließen scheinen. Tiefes Ein- und Ausatmen im Sechs-Sekunden-Rhythmus hebt das Bildertempo aber wieder auf.
Die Verunsicherung des…