Vollmer/Tillmann
Sie nennen sich – in bezug auf eines ihrer Projekte – bescheiden ‘Sammler’, Ulrich Tillmann und Wolfgang Vollmer, und geben vor, seltene ‘Meisterwerke der Fotokunst’ zu besitzen. Sie zeigen diese in Ausstellungen und haben sie publiziert in einem leinengebundenen Büchlein, kostbar gedruckt, Umschlag in einem kräftigen Rot mit goldgeprägter Schrift, das ein ebenfalls rotgefärbter Schuber vor möglichen Beschädigungen schützt. Auch das Buch erscheint wie ein Rarissimum. In der Tat handelt es sich bei der ‘Sammlung Tillmann und Vollmer’ um fotografische Bilder, die, teils direkt, teils in witziger Anspielung, an Inkunablen der Fotogeschichte erinnern, einigen sogar frappierend ähnlich sehen. Mit ‘zerstreutem’ (Benjamin) Blick gesehen, fällt der Unterschied gar nicht auf. Sämtliche Fotografien der ‘Sammlung’ sind aber nichts weniger als besagte Inkunabeln, weder deren Originalversion noch später abgezogene noch auch reproduzierte, sondern pfiffige Nachahmungen, um nicht den negativen Begriff ‘Plagiate’ zu bemühen. Den ‘Sammlern’, die natürlich Urheber dieser Bilder sind, mag zunächst die Attacke auf die Fetischisierung des Originalwertes einer Fotografie im Sinn gewesen sein. Als ließe sich der Kunstwert der Fotografie aus einem geliehenen Echtheitsanspruch legitimieren. Doch das ganze Unternehmen würde sich, nachdem die verblüffende Wirkung vorbei ist, in einem mehr oder minder vordergründigen Witz erschöpfen, wenn die Fotokünstler nicht Originalfotografien nach Originalfotografien hergestellt, also eine fadenscheinige Behauptung – keine Legitimierung! – durch bloße Verdoppelung ad absurdum geführt hätten. Sie haben der ‘zweiten’ Wirklichkeit der Fotografie, die sich auf die ‘erste’ Wirklichkeit der empirischen Erfahrung bezieht, eine ‘dritte’ Realität hinzugestellt, die sowohl durch die ‘erste’ als auch durch die ‘zweite’ konditioniert…