Jürgen Raap
Volker Hildebrandt
»Chaotische Strukturen – Neue Bilder«
Karin Bolz Galerie, 28.9. – 7.11.1990
Strukturen sind gemeinhin geordnet, und sei es durch das Prinzip der Wiederholung einzelner Elemente, bzw. sie materialisieren eine Ordnung von Elementen innerhalb eines Systems. Im Chaos hingegen ist jegliche Ordnung aufgehoben, und so scheint der Ausstellungstitel “Chaotische Strukturen” zunächst widersprüchlich zu sein. Volker Hildebrandt hat sein bildnerisches Konzept der Darstellung von Flimmerpunkten variiert, jener Punkte, wie sie im Fernsehen bei Bildstörungen oder nach Sendeschluß zu sehen sind.
Innerhalb unserer Wahrnehmungs- bzw. Rezeptionsgewohnheiten bedeuten solche Ausstrahlungen Leerstellen innerhalb des Informationsgehalts eines Programms: Sie bedeuten keine Nachricht. Die Information, daß eine technische Störung im Übertragungsvorgang vorliegt bzw. das Programm unterbrochen oder beendet ist, wird vom Zuschauer aber nicht als solche wahrgenommen, höchstens als Empfindung einer Störung im erwarteten Programmablauf, d. h. als chaotische Durchbrechung einer Ordnung. Insofern hat der Ausstellungstitel doch eine logische Stimmigkeit.
Hildebrandt hat nun das “Abmalen” solcher Punkte wieder in den Ursprung des TV-Mediums zurücktransportiert: Eine Woche lang malte er schwarze, weiße und graue Flimmerpunkte, die sich während des Arbeitsvorgangs von Tag zu Tag immer mehr auf dem Bildgrund verdichteten. Der Kölner Privatsender RTL-plus strahlte sieben Tage lang in jeweils kurzen Spots die Zwischenstadien dieser Malaktion aus, bis dann das fertige Werk gesendet wurde: eine gemalte Bildstörung. Diese wiederum hat gegenüber der “realen” Bildstörung einen eigenen und eigenständigen Informationsgehalt, die höchstens aus didaktischen Gründen zusätzlicher Erläuterungen bedurft hätte.
Ein Objekt in der Ausstellung markiert den umgekehrten Weg, nämlich das Wegnehmen von Information aus einem technisch intakt übermittelten Programm: Hildebrandt…