Georg Baselitz
Vier Wände und Oberlicht
oder besser: kein Bild an die Wand
Vortrag anläßlich der Dortmunder Architekturtage “Museumsbauten”, am 26.4.1979
Zu meiner Situation als deutscher Künstler kurz: Ich bin 40 Jahre. Meine erste Ausstellung machte ich vor 17 Jahren. Bisher wurde nur eines meiner Bilder offiziell von einem deutschen Museum angekauft. Ich meine also, ich muß es wissen und kann recht freimütig über das Thema Museum sprechen.
Mein Motto hier ist: Vier Wände und Oberlicht oder besser kein Bild an die Wand.
Der Künstler arbeitet verantwortungslos. Seine gesellschaftliche Bindung ist asozial, seine einzige Verantwortlichkeit ist Haltung und diese der Arbeit gegenüber.
Das Kunstwerk entsteht im Kopf eines Künstlers und bleibt auch im Kopf des Künstlers. Es gibt keine Korrespondenz mit irgendwelchem Publikum. Wie er keine Fragen stellen kann, macht er auch keine Aussage im Sinne von Mitteilung, Botschaft, Information und Meinung. Er gibt keine Hilfe und seine Arbeit ist auch nicht benutzbar. Kein Zustand gesellschaftlicher oder privater Art wird sein Ergebnis lenken oder beeinflussen, verhindern oder überhaupt erst nötig machen. Für die Arbeiten des Künstlers sind folglich auch keine Vermittler nötig, Orte für diese Vermittlung auch nicht.
Jetzt ist nicht die Zeit kunstinteressierter, gesellschaftlicher Repräsentanten. Die Kunstverachtung ist allgemein, die des Publikums haben sich auch deren Vertreter zu eigen gemacht. Es gibt keinen Applaus für ein neues Kunstwerk. Die bürgerliche Isolation eines Künstlers war nie größer, seine Arbeit nie anonymer als jetzt. Das allerdings ist der Verrücktheit des Künstlers, seiner Verstiegenheit in ungeahnte Abstraktionen sehr förderlich. Mit dem Ergebnis hat man es zu tun, in meinem…