Michael Hübl
Vier Energieträger
Kraftzellen: Galerie der Künstler, München, 16.1.-l5.2.1987
Igor Sacharow-Ross: Galerie Angelika Hartan Stuttgart, 28.2.-28.3.1987
Julius Schnorr von Carolfeld, nazarenischer Maler, bekannt etwa durch seine “Nibelungenfresken” in der Münchner Residenz, hatte für die Kunst seines älteren Bruders Ludwig, der auch Maler war, wenig übrig. 1823 schrieb er über dessen jüngste Arbeit: “Die Kunst ist eine Hofdame worden mit den Regenbogenfarben im Gesicht und ausgezehrter Brust. Sie, die uns die Menschheit in ihrer Fülle und Kraft, im vollen Treiben und Leben zeigen soll, sie zieht es vor, einer verrückten Gräfin an den blauen Lippen zu saugen”. l Die Attacke auf die adelige Dame sollte nicht zuletzt den Bruder treffen, der – ein Anhänger des Mesmerismus – offenbar über parapsychologische Fähigkeiten verfügte und die kaiserliche Erlaubnis hatte, als “Magnétiseur” tätig zu sein.2 1820 wurde er aufgrund dieser Eigenschaften zur Behandlung der kranken Gräfin Lesniowska hinzugezogen – jene Dame, auf die Julius Schnorr in seinen Bemerkungen über die brüderliche Kunst anspielte. Ludwig focht derlei Kritik nicht an. Seinem Vater schrieb er: “Mögen manche Leute meinen und sagen, was sie wollen, diese Region der menschlichen Natur bleibt ein höchst interessantes Feld für den tieferen Menschen und den vorurteilsfreien Psychologen – Mystizismus hin Mystizismus her, es ist und bleibt etwas Vorhandenes”.3
Man muß also nicht in ethnographische oder historische Fernen schweifen, zu den Schamanen oder zu den spätestens seit der Biennale ’86 im abendländischen Bewußtsein “rehabilitierten” Alchimisten, um auf die Verbindung Kunst-ESP (Extra-sensory perception) zu stoßen. Vier Künstler haben sich jetzt in München zu diesem alten/neuen Thema…