Ai Weiwei
Vielleicht ist ja mein Leben eine einzige Performance?
Ein Gespräch über die Veränderung der Welt per Internet
Von Heinz-Norbert Jocks
Als ich Ai Weiwei ein Tag nach dem Pornographie-Vorwurf seitens der Polizei interviewte, stand kein den Künstler überwachender Wagen mehr vor dem Haus mit der großen Mauer wie noch vor drei Monaten. Absolute Leere auf der Straße. Nur eine Kamera, die auf das Tor zum Studio gerichtet ist. Auch keine Verfolger nach dem Gespräch. Nichts Auffälliges. Und drinnen im Studio, wo Ai Weiwei gerade noch auf irgendwelche Nachrichten reagierte, herrschte unter den Mitarbeitern große Normalität und alltägliche Betriebsamkeit. Eben Alltagsstimmung, keine Angespanntheit. Anderthalb Stunden dauerte das Gespräch mit dem „Künstler der Revolte“, wie er zu Weihnachten von der Zeitschrift „Le Monde gekürt wurde. Beim Reden wurde deutlich, dass Ai Weiwei unter einem Individuum etwas anderes versteht als der Westen. Eben kein isoliertes Wesen neben anderen Vereinzelten. Etikettierungen sind ihm dabei ebenso fremd wie jegliche Art der Kategorisierung. Deshalb begreift er sich auch nicht als „einen politischen Künstler“, sondern als etwas, das sich nicht greifen und nicht definieren und nicht fixieren lässt. Ihm scheint es dabei egal zu sein, wie er von anderen gesehen oder gar instrumentalisiert wird. Er versteht sich als ein Mensch und damit als ein unzerteilbares Ganzes, das für die Freiheit der Kommunikation einstehen möchte. Auch sein Begriff der Kommunikation und seine Vorstellungen von privat und öffentlich scheinen alles andere als westlich zu sein. Für ihn ist Kunst nicht auf das Schaffen von Kunstwerken reduziert, sondern eine…