Johannes Meinhardt
Victor Brauner
»Zeichnungen«
Galerie der Stadt Esslingen, Villa Merkel, 27.10. – 8.12.1991
Das Musee d’Art Moderne de Saint-Etienne besitzt mehr als 3600 Zeichnungen von Victor Brauner (1903-1966), gestiftet von seiner Witwe. Dieser immense Bestand, der noch nie gezeigt werden konnte, wurde in den letzten Jahren aufgearbeitet; eine Auswahl von 168 Zeichnungen und Heften wird nun in der Villa Merkel in Esslingen erstmalig zugänglich gemacht. Arbeiten aus allen Werkperioden, von 1925 bis 1964, sind vertreten; auch die stark eklektizistischen Arbeiten seines späteren Werks, seit dem Ende der vierziger Jahre, sind eingeschlossen.
Victor Brauner, 1903 in Rumänien geboren, lebte ab 1914mBukarest, wo er 1924 seme erste Einzelausstellung hatte. 1925/26 besuchte er Paris, und 1930 zog er ganz dahin. Abgesehen von den drei Jahren 1935 bis 1937, in denen er aus finanziellen Gründen nach Bukarest zurückkehren mußte, lebte er ab 1930 immer in Frankreich. Surrealist avant la lettre, schloß er sich 1932 den Surrealisten an; 1948 wurde er von André Breton wieder ausgeschlossen, weil er dem Hinauswurf von Matta nicht zustimmen wollte. Das obsessionelle und libidinöse Thema, das ihn am meisten bekannt gemacht hat, ist das zerschlagene, ausrinnende oder auf andere Weise zerstörte Auge. Sein wohl bekanntestes Bild ist das “Selbstportrait mit herausgeschältem Auge” von 1931; 1938 wurde ihm bei dem Versuch, einen Streit zwischen Dominguez und Esteban zu schlichten, das linke Auge ausgeschlagen.
Eine Konstante im sehr unterschiedlichen Werk von Victor Brauner bis zum Ende der vierziger Jahre ist das Schwanken zwischen zwei extremen Polen surrealistischer Verfahrensweise: zwischen Techniken des psychischen Automatismus und minutiösen…