Thomas Wulffen
Via Lewandowsky
Neue Gesellschaft für Bildende Kunst, 9.12.1989 – 14.1.1990
Die Ausstellung ist ein Lehrstück in doppelter Hinsicht. Zum einen konnte der Besucher in der Ausstellung in der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst Beispiele einer Kunst erleben, die sich von vornherein nicht bloss auf das Malerische verlässt, sondern bewusst auch in den Bereich der Performance geht, sich aus ihr heraus entwickelt. (Volker) Via Lewandowsky gehört mit Michael Brendel, Rainer Görß und Else Gabriel zu den sogenannten Autoperforationsartisten, die mit Aktionen, Installationen und Programmen die Kunstszene in der DDR wesentlich beeinflussten. Dem Westbürger mochten solche Aktionen denn auch wie eine blosse Kopie des Wiener Aktionismus erscheinen. Mit einem ähnlichen Vorurteil kann der Betrachter auch auf die Malerei von Via Lewandowsky reagieren.
Unter dem Titel “Sie können nicht schreien hören” werden unter anderem acht Porträts zur Euthanasie gezeigt. Der Gesamttitel “Reproduktive Malerei”, der sich eher auf die Technik bezieht, aber auf dem Hintergrund der DDR-Kunst auch inhaltliche Bezüge aufweist, ist von daher nicht blosser Selbstzweck. Im Gegensatz zu den Altmeistern wie Sitte, Heisig oder Mattheuer, die der Abbildungsfunktion von Malerei durch kritische Töne neues Leben eingehaucht haben, aber sich dennoch auf der Folie des sozialistischen Realismus bewegen, negiert die Malerei Lewandowskys auf den ersten Blick das autonome Künstlersubjekt und die gewohnte Abbildungsfunktion von Malerei. Der Künstler arbeitet mit vergrösserten Wissenschaftzeichnungen aus einem Medizinbuch des Jahres 1938. Diese Bildelemente werden von ihm zerstückelt und wieder neu zusammengesetzt.
‘Reproduktive Malerei’ als eine Art Bild-Recycling hat auf der Folie der DDR-Kunst einen anderen, provokativen Stellenwert, der sich…