Versöhnung der Gegensätze
HARALD SZEEMANN VEREINT IN VENEDIG DAS SCHEINBAR UNVEREINBARE
VON AMINE HAASE
Diese Biennale zeigt aufs Schönste, dass eine Versöhnung der Extreme möglich ist – von Alt und Jung, Männern und Frauen, von weit auseinander liegenden Kunstauffassungen, von Ländern und Kontinenten. Im Reich der Kunst geht es friedlich zu, nicht zu verwechseln mit langweilig. Denn Harald Szeemann, dem künstlerischen Leiter dieser 48. Biennale, gelingt es, den Spannungsbogen auch über ein enorm erweitertes Ausstellungs-Areal zu halten. Er macht seine Ausstellungen, wie er vielleicht ein Bild malen, ein Gedicht schreiben oder ein Theaterstück inszenieren würde. Szeemann ist auch als Ausstellungsmacher in erster Linie Künstler – der seiner Intuition folgt. Das ist risikoreich, aber lustvoll, auch zu beobachten. Und die Mehrzahl der Beobachter mag die Kunst des Harald Szeemann. Wer noch zögerte, den wird die von ihm erfundene Biennale-Ausstellung “dAPERTutto” wohl endgültig in den Bann ziehen. (Siehe Kommentierung Seite 160 und Interview Seite 312) Ein Leitfaden durch diese 48. Biennale könnten die – wiedervereinten – Gegensätze sein: Das Paradox als Mittel der Erkenntnis, ein beliebtes und bewährtes Mittel künstlerischer Kreativität.
Alt und Jung
Szeemann, der bekannt dafür ist, seinen alten Künstler-Freunden die Treue zu halten und jungen Kunst-Karriere-Spekulanten eher misstrauisch gegenüberzustehen, überrascht in Venedig mit einer totalen Verjüngung seiner Besetzungsliste. Er erklärt seine Entscheidung damit, dass es zum einen unnötig sei, ausgerechnet in Venedig immer wieder die alten “Heroen” zu zeigen, und dass zum anderen die Goldgräber-Mentalität nicht mehr so verbreitet sei wie zum Beispiel zu den Hoch-Zeiten von Jeff Koons. Allerdings verzichtet er nicht…