Verschiebungen in Zeit und Raum
AMINE HAASE IM GESPRÄCH MIT OKWUI ENWEZOR
Amine Haase: Mit der Blickrichtung Documenta Kassel 2002 – was bedeutet “Kunst” für Sie?
Okwui Enwezor: Als ich zum künstlerischen Leiter der Documenta11 berufen wurde, habe ich mich erst einmal wie ein Schüler verhalten, der sich mit der Ausstellungs-Geschichte der Documenta auseinandersetzt. Immer, wenn man sich mit Geschichte befasst, ist das eine Herausforderung, und manchmal ist es frustrierend. Wir können nicht das gesamte Aktionsfeld der Kunst betrachten, nicht alle Positionen berücksichtigen, welche die Geschichte der Documenta ausmachen. So wie viele Künstler heute arbeiten, ist es fast unmöglich, über Kunst als Kontinuum zu sprechen. Allerdings ist jetzt ein sehr guter Augenblick, um eine Ausstellung wie die Documenta zu machen. Denn das Feld ist sehr weit und disparat. Der Aktionsradius für die unterschiedlichsten Aktivitäten an den verschiedensten Orten ist sehr interessant. Das alles sind Gründe dafür, dass wir äußerst sorgfältig auf Kunst schauen und mit ihr umgehen müssen. Nur so können wir eine Ausstellung machen, die nicht nur die Komplexität der Institution Documenta als Vermächtnis spiegelt, sondern die gleichzeitig ein Ausgangspunkt sein kann, ein Ort, von dem aus man weitergehen kann. Ich denke, das sollte die Documenta11 sichtbar machen. Wir wollen sehr eng mit den Künstlern zusammenarbeiten, ihnen Gelegenheit geben, erfindungsreich innerhalb ihrer eigenen Praktiken zu sein, die Grenzen ihrer eigenen Arbeit zu durchbrechen.
Die Frage war natürlich ziemlich global, aber Ihre bislang von Ihnen in Vorträgen oder auf Symposien vorgetragenen Gedanken zur Kunst, schienen mir ziemlich weit entfernt zu sein von konventionellen ästhetischen…