VERMISST – Der Turm der blauen Pferde von Franz Marc
Zeitgenössische Künstler auf der Suche nach einem verschollenen Meisterwerk
Haus am Waldsee, Berlin
Staatliche Graphische Sammlung, München 03.03. – 05.06.2017
von Peter Funken
„Die Welt steckt voller Details, mit denen Geschichten beginnen“ – dieser Gedanke Andrzej Stasiuks könnte wie ein Motto über den Ausstellungen in Berlin und München stehen. Es geht ihnen um Franz Marcs berühmtes Gemälde „Turm der blauen Pferde“, das seit 80 Jahren vermisst wird. In Berlin lud Kuratorin Katja Blomberg elf Künstler und die Dichterin Julia Frank ein, sich dem expressionistischen Schlüsselwerk zu widmen, über Wert und Bedeutung, seinen Verlust, die Umstände und den dadurch ausgelösten Phantomschmerz zu arbeiten und zu spekulieren. Ähnlich Michael Hering in München, er beauftragte acht Künstler und zeigt zudem die Vorzeichnung des Bildes, Marcs Neujahrspostkarte mit blauen Pferden, die er 1912 an Else Lasker-Schüler schickte. Damit begann eine kurze, intensive Brieffreundschaft, zwischen „Prinz Jussuf von Theben“ und dem „lieben blauen Reiter“. 1913 malte Marc (*1880) das große Gemälde, das er bald darauf beim Ersten Deutschen Herbstsalon in Berlin ausgestellte. Im 1. WK ist er Meldereiter und fällt 1916 bei Verdun – Kopfschuss durch Schrapnell. Seinem Bild entsteht unten am Rand unten Brandschaden, es avanciert zum nationalen Mythos, eng verknüpft mit dem „Heldentod“ des Künstlers. Die blauen Pferde zieren farbig gedruckt Jugendzimmer, Schulräume und Sammelbilder – sie gehören zum bürgerlichen Kulturgut der Weimarer Republik. Damit wird das Werk für die NS-Propaganda zum Problemfall: 1937 bei „Entartete Kunst“ in München ist es das berühmteste…