AMINE HAASE
Verlust oder Vision
DEM SEILTÄNZER NUR ZUSEHEN ODER IHN BEGLEITEN?
Schon Anfang 1989, als der Genter Museumsmann Jan Hoet zum Leiter der DOCUMENTA IX berufen wurde, wußte man: Diese documenta wird anders als die anderen. Dafür sprach nicht allein die Person, die immer wieder für Überraschungen sorgte, sondern auch die Zeit, in der sich der Umgang mit Kunst veränderte. So wie Hoet die DOCUMENTA IX vor den Augen und Ohren des Publikums wachsen ließ, so wandelte sich in den vier Jahren auch ständig der Blick auf Kunst. Die Kunstvermittler jonglierten – allein in Deutschland – zwischen Kölner »Bilderstreit« und Berliner »Metropolis«, zwischen einem zusätzlichen Kunstmarkt sowie einem neuen Museum in Frankfurt/Main und dem »Ludwig-Forum für internationale Kunst« in Aachen. Die Kunst drohte unter den diversen Inszenierungen begraben, ihr Verschwinden in der Vielfalt der Darbietungen beschleunigt zu werden; die Kunstbeispiele aus Deutschland rufen das Dilemma in Erinnerung, in einem kleinen Ausschnitt nur. Währenddessen versuchte Jan Hoet, aus dem Chaos Kraft zu schöpfen, Kraft für die Kunst und das Formwerden einer Vision. Denn eines stand für ihn von vornherein fest: Er vertraut allein seiner »Intuition«, und er glaubt an eine »neue Energie innerhalb des Chaos«. Je komplizierter die Dinge wurden – in der Welt der Kunst, der Politik, der Nationen, im mitmenschlichen, im gesellschaftlichen Zusammenleben -, desto intensiver glaubte Hoet an die kreative Kraft des Zweifels und des Paradoxes.
Vom Verschwinden in der Vielfalt
Die Zeit für diese DOCUMENTA IX ist sicherlich eine Zeit der Entscheidungen – nicht nur deswegen, weil wir uns dem…