Jon Jordan
Verführung
Computerspiele sind so aalglatt, dass es schwer fällt, auch nur einen einzigen Ansatzpunkt zu finden, wie man sie in den Griff bekommen könnte. Nachdem sie eine neue Freizeitaktivität darstellen, ist man versucht, sie in etablierte Bezugssysteme einzubetten wie die Filmtheorie, den narrativen Dekonstruktivismus, die Kunstgeschichte oder pädagogische Systeme. Doch selbst wenn wir die Spiele mit dem neuen Werkzeug der Ludologie, der Theorie des Spieles, untersuchen, kommen wir zu keinen erschütternden Neuerungen. Der Grund dafür ist, dass es in Computerspielen um etwas völlig anderes geht als in den Vorgängermedien: Es geht um subjektive, millisekundensynchrone Interaktion des Spielers mit dem Spiel. Man kann Computerspiele daher im Gegensatz zu den Vorgängermedien als ein gemeinsames Produkt von Spieldesigner und Spieler verstehen. Man könnte weiter gehen und behaupten, dass das Spiel ohne den Spieler gar nicht existiert, ja dass die Absichten des Spieldesigners nichts zur Sache tun und dass soziale Implikationen und deren Verwurzelung in den Elementen des Spiels nicht zum Wesen des Spieles vordringen. Provokant gesagt: Der Spieler definiert das Spiel und er oder sie ist so sehr gegenwärtig wie der Aufkleber auf der Spiele CD. Um eine oft missbrauchte Analogie zu verwenden: Das Spiel ist wie das Elektron in der Quantentheorie: desto näher man sich der Bestimmung nähert, wo denn der seduktive Gehalt des Spiels liegt, desto weiter entfernt man sich von ihm.
Letztendlich ist das Spiel ein Spiel der Verführung, vor allem ein Spiel der Verführung des Selbst. Spiele bereiten eine eigenartige Mischung von Aktivität und Passivität vor; wenn man es…