Markus Krajewski
Ver(b)rannt im »Fahlen Feuer«
EIN KARTEIKARTENKOMMENTAR
“Es ist nicht einmal ein feiner, sondern eigentlich ein recht grober Kitzel des Egoismus,
wenn alle Personen in einem Roman sich um Einen bewegen wie Planeten um die Sonne,
der dann gewöhnlich des Verfassers unartiges Schoßkind ist, und der
Spiegel und Schmeichler des entzückten .Lesers wird.”
(Friedrich Schlegel, Fragmente)
Nichtlineares ist nichts Neues. Wenn man mit dem Fundus etwa der Literaturgeschichte argumentieren sollte, so machen spätestens die frühromantischen Debatten von Friedrich Schlegel und Novalis um das absolute Buch und die Zusammenführung aller Textgattungen im Roman als Medium der romantischen Universalpoesie das Thema explizit. Dabei muss der Roman als neue Form zwangsläufig Fragment bleiben, dessen Lektüre immer schon auf Unabgeschlossenheit und entsprechende Lese- und Blättertaktiken verweist. “Mancher der vortrefflichsten Romane ist ein Kompendium, eine Enzyklopädie des ganzen geistigen Lebens eines genialischen Individuums”.1 Die folgsame Umsetzung dieser Überlegungen zur Form zeigt sich hinsichtlich der Textorganisation nach enzyklopädischem Muster (siehe [Querverweis]) jedoch erst einige Dekaden später. So bleibt es dem 20. Jahrhundert vorbehalten, die Abkehr von linearen Lesestrategien und ebensolchen literarischen Textbauformen letztlich in breiterer Front, die den Namen avant garde trägt, zu unternehmen. Das Bestreben, nicht mehr einer einzigen Lese- und Schreiblinie zu folgen, zeigt sich demzufolge auf zahlreichen Ebenen. In der Tradition enzyklopädischer Textarrangements folgt die literarische Speerspitze neuen Strukturen des Romans, die z. B. eine Gleichzeitigkeit der Ereignisse auflösen in einer von der Rezeptionsreihenfolge entkoppelten, modularen Fragmentierung der Erzählungsbestandteile. “Ja”, James Joyce, zum Beispiel.2 Oder Walter Benjamins Passagenwerk. Oder, ebenfalls in Paris,…