PETER HERBSTREUTH
Vera Lutter
Galerie Max Hetzler, 15.5. – 26. 6.2004
Vera Lutter arbeitet im Innern der Kamera. Und es könnte sein, daß die 1960 im Saarland geborene Künstlerin dabei das Ei des Kolumbus gefunden hat und die über zweitausendjährige Kontroverse zwischen Malerei und Zeichnung im Medium Lichtbild aufhebt.
Seit 1995 hat Lutter in Hochhäusern von New York, Chicago und an anderen Orten auf erhöhten Standpunkten Zimmer gemietet. Sie verdunkelte mit schwarzen Folien den Raum zur Fensterseite hin, bohrte ein Loch so groß wie ein Stecknadelkopf in die Folie und belichtete durch das einströmende Licht zweieinhalb Meter hohe Bahnen Fotopapier auf der gegenüberliegenden Wand manchmal stunden-, manchmal tage-, manchmal wochenlang. Während der kürzeren Belichtungszeiten bleibt sie im Raum der Camera Obscura.
Die Kamera erfasst nur das Immobile und das, was sich mit großer Langsamkeit verändert. Schnelle Bewegungen hinterlassen keine Spuren. Dadurch entsteht eine neue Art von Veduten im Licht der Nacht. Sie tragen den Stempel des Authentischen. Denn bei allen Abbildern Lutters kann man sagen: Dies war sichtbar, solange das Licht die Architektur der Stadt, die Geräte der Werften, den Flußlauf in der Landschaft modellierte und sich simultan auf dem präparierten Papier ablagerte. Tricks und Retuschen gibt es nicht. Lutters Bilder registrieren das Dauerhafte und präsentieren die Nachtseite der Stadt als einmalige Erscheinung. Kein Moment ist wiederholbar, jede Lichtprägung ein Unikat. Der Titel mit dem Tagesdatum bekräftigt die vergangene Belichtungszeit jeder einzelnen Aufnahme. In der Galerie trifft der Blick direkt auf die Fotografie, ohne von Glas abgelenkt oder gespiegelt zu werden. Ungeschützt und ohne…