Guy Brett
Venedig, Paris, Kassel, São Paulo und Havanna
Über die Biennalen, die Documenta und »Les Magiciens De La Terre«
Als ich zwischen dem 15. und 25. November 1991 durch die Straßen von Havanna spazierte und hin und wieder ein Gebäude betrat und wieder verließ, befand ich mich dort zum einen als Tourist, der sich zum ersten Mal dort aufhielt und jene wenigen Eindrücke sammelte, die jeder Besucher sich genötigt fühlt, in eine zusammenhängende Interpretation einzuordnen, zum anderen als Kunstkritiker, erfahren durch unzählige Ausstellungen, Biennalen, Symposien, Atelierbesuche und Happenings.
Im Falle Kubas ist es besonders schwierig, diese beiden Rollen zur Deckung zu bringen. Zu den üblichen allzugroßen Vereinfachungen, die durch die Distanz entstehen, kommt noch die seit langem gängige Praxis, das Land von einer festgelegten, eindimensionalen Warte aus zu sehen. Interpretation und Medienberichterstattung neigen zur Polarisierung zwischen übertriebener Grobheit und übertriebener Höflichkeit. Kuba wird als gleichförmige, monolithische Einheit gesehen, wo jegliches Individuum mit der gesamten Gesellschaft identifiziert wird und jedes Ereignis symptomatisch ist. So normale Vorgänge wie kombinieren, ausprobieren, feine Unterscheidungen treffen und Zusammenhänge herstellen sind ausgesetzt, wofür weitgehend die Isolation verantwortlich ist, die dem Land durch das US-Embargo aufgezwungen wurde – eine unerhörte Beeinträchtigung und Hemmung der Geschichte eines anderen Landes.
Oder dies sind die Zwänge. Der Kunstkritiker/Tourist taucht alsbald in die Ironien und Ungereimtheiten kultureller Prozesse ein, die so sonderbar und verwirrend sind wie überall sonst auch. Innerhalb des kulturellen Angebots, das ich in wenigen Tagen zu sehen bekam, könnte man die Biennale von Havanna – ehrgeizig, differenziert, eindringlich und argumentativ -…