Dissonante Perspektiven
Utopien, Verwerfungen
Hans Ulrich Reck
Utopie hat, einerseits, keine gute Presse mehr, andererseits wird sie über den grünen Klee gelobt. Es kommt eben darauf an, worum es für welche Perspektive geht. Die soziale Sphäre entlastet sich, systemisch, wie systemtheoretisch, von utopischen Ansprüchen, die eher als hysterisch und irreführend angesehen werden, da nicht nüchtern genug für das Leben im Wirklichen, sondern Ausdruck eines den Verstand vernebelnden Engagements. Mit Empathie dagegen in vollem Umfang rechnen darf das Utopische, wenn es um die Künste geht. Sofern sie sich im System der Künste bewegen und nicht von dort die Grenzen zum Politischen oder Sozialen überschreiten. Insoweit sie auf Grenzüberschreitungen verzichten, qualifizieren sich die Künste in interner Betrachtung als Inbegriff des Utopischen. Das hat sich im Diskurs etabliert, ist eingeschliffene Erwartung. Ja, auch: bewährte Rede, Regel, Routine bis hin zum Ritual. Der Horizont der Künste ist zum Kennzeichen des Utopischen in dem Sinne geworden, dass in diesem sich artikuliert, was sonst in den Kompromissen eines dem Trägheitsprinzip und dem Ausgleich des Unvereinbaren gewidmeten Lebens untergeht: das Unbedingte wie das Bedingungslose, das maximal Menschliche, all das also, was eben nicht empirisch real ist, sondern ein Korrektiv für das Ungenügend-Sein-Müssen der Wirklichkeit. Also nicht nur für das Ungenügende als solches, sondern das Los, niemals genügen zu können. Irrealisierungsversprechen liegen dem zugrunde, was hier an Illusionen sich selber ermächtigt. Auf Kunst wird projiziert, was sich Wünsche sonst zu versagen pflegen.
EXISTENZIELLE VERWERFUNG, PROTEST
Heute reicht der herkömmliche positive Diskurs des Utopischen nicht mehr. Das gilt sowohl für den Hinweis auf…