Hanne Weskott
Ursel Stühler
Galerie Waßermann + Edition é, 9.9.-26.10.1988
Ursel Stühler, Jahrgang 1951, hat in München bei Robert Jacobsen studiert. Bei ihm endlich fand sie Gestaltungsprinzipien verwirklicht, die ihr die Möglichkeit eröffnet haben, ihre ganze Person ungeteilt in ihre Kunst miteinzubringen. Da wurde ihre mathematische Begabung ebenso gefragt wie ihr künstlerischer Ausdruckswille. Der schon legendäre Robert Jacobsen gab ihr den Freiheitsstoß, und sie hat daraus ihren persönlichen ‘Stil’ entwickelt, der ganz allgemein der konstruktivistischen Richtung angehört. Ihre Arbeitsweise ist eher zäh und langsam, aber intensiv. So kann man in diesem Fall sicher nicht von einem kometengleichen Aufstieg sprechen. Aber die wenigen Ausstellungen, die sie bis heute gestaltet hat, lassen im Rückblick einen immer freieren und gleichzeitig selbstverständlicheren Umgang mit den Prinzipien des Konstruktivismus erkennen. Von Anfang an gab es bei ihr die kleinen Abweichungen vom strengen Prinzip, spielerische Variationen, die Gefahren- und Spannungsmoment zugleich sind. Diese entspringen ihrer dialektischen Arbeitsweise zwischen freier, zeichnerischer Formfindung und rechnerischer Überprüfung. Eine Skulptur, deren Standfestigkeit in nur einem einzigen Punkt gegeben ist, scheint im Raum zu schweben. Ihre Bodenberührung wirkt dann wie etwas Vorübergehendes, ein Moment des Stillstandes. Sind in einem Raum mehrere solcher Objekte verteilt, droht dem Betrachter auch der Boden wegzuschwimmen. Die Installation, die Ursel Stühler im Münchner Kunstforum unter der Maximilianstraße 1985 gezeigt hat, war dementsprechend “Sinken” betitelt. Damals setzte sie noch gelbe Leuchtfarbe ein, um das Irritationsmoment zu steigern. Die beiden neuen Skulpturen, “Cap Canaveral” genannt, sind zwar ebenso labil wie ihre Vorgänger, wirken aber dennoch klarer, konstruktiver. Beide wurden gemeinsam…