Andreas Denk
Urs Lüthi
Bonner Kunstverein, 21.9. – 21.11.1993
Wie ein offenes Buch mit mehreren Kapiteln könnte man in der Rückschau auf Lüthis Werk eine “Entwicklungsgeschichte” des Künstlers lesen. Der heute 46jährige Luzerner begann in den sechziger Jahren mit malerischen Arbeiten, mit denen er bereits eine gewisse Reputation erworben haben soll – zumindest in der Schweiz. Doch: “Das Vokabular der Malerei ist längst erfunden …”, hat der Künstler irgendwann (1986) erkannt und ist ins photographische Medium gewechselt. Zugleich hat er sein inhaltliches Interesse von einer schweizerischen Variante des Pop auf die eigene Person geschwenkt. Zusammen mit David Weiss entstand eine Mappe mit Photoarbeiten (“Sketches”, 1970), die die beiden in kinderspielhaften Posen zeigen. “Das Annehmen einer Rolle wie im Kinderspiel”, formuliert Christoph Blase wunderbar in einem Katalogbeitrag, “und die Gefahr, etwas im Unbewußten zu entlarven, das nur Schaden bringen kann, kennzeichnete forthin Lüthis Arbeiten.” Dabei bringt er jedoch unablässig eine Travestie zur Anwendung, die zunächst befremdet, dann sich jedoch als geschickte Doppelstrategie erweist: Veränderungen der Frisur, des Gesichtsausdrucks, die unübersehbaren transsexuellen Anspielungen wollen erkennen lassen, daß eigentlich jeder im Abbild Lüthis etwas über sich selbst erfahren könne: “I’ll Be Your Mirror” heißt nicht von ungefähr eine Photo-Arbeit von 1972, aus der Lüthi mit halblangen Haaren sentimental-erotisch herausschaut. In der zwanzigteiligen Serie “Numbergirl” (1973) treten als Bild im Bild Landschafts-, Interieur- und Personenaufnahmen dazu, die sexy Lüthi statt der sonst in diesem Metier obligatorischen Nummern präsentiert. Hier erfährt der Betrachter schon nicht mehr nur über Habitus, Gestus und Mimik etwas von der Person des…