Urs Lüthi
Mitunter bedarf es nur weniger künstlerischer Eingriffe, gelegentlich bloß einer erhöhten Empfindlichkeit, um unsere Wirklichkeit als Imagination, als Tag oder gar Alptraum zu erfahren. Vielleicht zeichnet es überhaupt erst den Künstler aus, daß er nicht festhält, was ist, oder – relativierender formuliert – was er sieht, sondern was er fühlt. Gefühlsselige Sentimentalität ist allerdings nicht gemeint! Die großformatigen Foto-Bilder von Urs Lüthi aus den 70er Jahren übertrugen jene radikale Erbarmungslosigkeit der gesellschaftlichen Realität, die jeder verspürt, sobald er – aus welchen Gründen auch immer – einsam ist, verlassen, isoliert. Identifikationsfigur war stets der Künstler selbst, und man mußte schon völlig vom Konsumglamour benebelt sein, um nicht – buchstäblich – betroffen, präziser: getroffen zu reagieren. Lüthis künstlerische Manipulationen beschränken sich auf denkbar einfache Handhabungen: Er wählte die Räume und Situationen aus, in denen er sich fotografierte oder fotografieren ließ, und vergößerte schließlich das erhaltene Bild auf Lebensformat. In schlichtem Schwarz-Weiß waren die Bilder gehalten, bisweilen wurden sie auch farbig unterlegt. Auch seine späteren Foto-Bilder sind frei von allem unangemessenen Aufwand; die brennende Intensität der früheren Arbeiten ist einer stillen, gleichwohl bewegenden Melancholie gewichen. Es ist darüber hinaus schwerer geworden, sie zu dechiffrieren. Obwohl sie prima vista an Zugänglichkeit gewonnen zu haben scheinen, sind sie in Wahrheit distanzierter, um das Wort »abstrakter« zu vermeiden.