Ingo Arend
Urbane Realitäten:Fokus Istanbul
Martin Gropius Bau Berlin 9. 7. – 3.10.2005
Ich glaube, dass Istanbul eine große Ähnlichkeit mit Berlin hat und mit anderen Groß- oder Weltstädten. Wahrscheinlich gibt es dort Viertel mit viel Armut, solche, wo man jede Religion findet und mit ähnlichen Wohngebieten wie bei uns”. Eine Berliner Schülerin hat diesen Satz geschrieben. Auf dem Boden eines Raumes im Berliner Martin-Gropius-Bau liegen Dutzende solcher Zettel. Auf jedem hat einer der von dem Künstler Roland Stratmann befragten Lernenden aus Berliner Schulen notiert, was er über die Stadt am Bosporus weiß. Steine und Boden sind aus Gold soll sich die anatolische Landbevölkerung über ihre sagenhafte Hauptstadt zugeraunt haben. Nach diesem türkischen Spruch hat Stratmann seine Installation benannt. Doch märchenhaften Reichtum, lockende Sinnlichkeit und unvorstellbare Schönheit, die klassische Trias der orientalistischen Projektion, erwartet niemand von den jungen Lernenden in Istanbul. In dem Phantombild, das sie zu formulieren versucht haben, kommen dagegen die Worte Fußball und Moscheen am häufigsten vor. Wahrscheinlich erheben sich deshalb über den linierten Bögen aus Schulheften Drahtgeflechte. Man sieht Minarette und Andeutungen von Kuppelbauten. Stratmanns raumfüllende Arbeit ist ein einziges Gitterwerk der ungefähren Ahnungen, der vagen Umrisse und Leerstellen, eine gelungene Installation über das imaginäre Bild einer der größten Städte der Welt.
Gott sei Dank werden in der Ausstellung “Fokus Istanbul” diese symbolischen Leerstellen nun nicht mit hieb- und stichfesten Daten und Fakten aufgefüllt. Auch wenn das offenbar die Idee war, als der Berliner Ausstellungsmacher Christoph Tannert auserkoren wurde, den Auftakt zu einer dreiteiligen Ausstellungsserie über Metropolen dieser Welt…