Unterwegs
VON REINHARD ERMEN
Vorspiel
Wie der Schwan von Tuonela (im finnischen Nationalepos “Kalevala”, das Reich des Todes) schwebt der schöne Vogel auf dem Strich, der das Wort DOCUMENTA der Länge nach in zwei Hälften teilt. Und während der schwarze Schwan nach dem letzten Buchstaben zu schnappen versucht, spiegelt sich unter ihm sein ideales Gegenüber. Der Schriftzug formuliert sich in Antiqua, die Neun dahinter ist römisch. Ein so klassisches Emblem hat es zur DOCUMENTA noch nicht gegeben, der postmoderne Klassizismus hat sich in dem Logo eingegraben; Jean Sibelius könnte die Begleitmusik dazu spielen (eben “Der Schwan von Tuonela”, op 22, Nr. 3), doch Jan Hoet liebt Richard Strauss, besonders wenn Elisabeth Schwarzkopf ihn singt: “Träume, träume, du mein süßes Leben.” Jan Hoet liebt auch Boxen und Baseball; keine Erklärung! Bei der DOCUMENTA IX wird alles anders.
DOCUMENTA-Marathon-Gespräch am 13./14. April 1991 in Weimar
Der Weg nach Kassel ist weit. Von Gent aus, wo 1990 ein erstes DOCUMENTA-Marathon-Gespräch stattfand, umkreist Jan Hoet die Stadt im weiten Bogen. Jetzt ist er in Weimar; der erschöpfte Läufer gönnt sich eine Pause, um in der Wiege der deutschen Klassik 24 Stunden lang seinen Weg nach Kassel zu problematisieren. Der Weg, so scheint es, gehört zur DOCUMENTA; so wie er diesmal gegangen wird, ist er mehr als eine Vorbereitung; vielleicht sind die Teilnehmer, ohne es zu wissen, Mitspieler in einer überdimensionalen Performance. Jan Hoet macht sein Nachdenken jedenfalls öffentlich, er artikuliert sich in weiten rhetorischen Bögen (der Umweg als Denkweise), die gleichzeitig den geborenen PR-Mann verraten,…
